Das Geheimnis von Islay Island
noch bei seinem Einsatz war.
»Und macht mir das was aus, Gorgonzola?« Die ehrliche Antwort lautete eindeutig – ja.
Natürlich gab es da auch noch den Aspekt der Pflichtvergessenheit. Wenn ich in The Vaults übernachtete, konnte ich natürlich nicht mit dem Fernglas den Forth observieren. Ich besprach mich mit meiner Partnerin.
»Denke, das geht schon in Ordnung, Mieze, oder? Während wir auf Islay waren, sind sie auch ohne meine Augen ausgekommen, um irgendein Schnellboot zu sichten, das sich der Küste nähert. Drei Nächte, und ich bin wieder da. Wer erfährt schon was davon?«
Gorgonzola sah mich vielsagend an und verkniff sich jeden Kommentar. Ich hatte das deutliche Gefühl, ich sei dabei, einen Fehler zu machen, den ich mit Sicherheit noch bereuen würde. Natürlich war es ein riskantes Spiel, und ich sollte lieber zusehen, dass es gut ausging.
Doch erst einmal brauchte ich etwas zu essen, und ich wusste genau, wo ich das Richtige bekommen würde: Als Entlohnung für die entsetzliche Langeweile, mit der ich meine Nächte zubrachte, hatte ich zu Beginn meines ersten Aufenthalts eine Liste von Ausflugszielen zusammengestellt. Darunter war auch, auf Mrs Galbraiths Empfehlung, The Sheep Heid Inn in Duddingston. Ich entschied mich dafür, und zwar nicht etwa, weil man es mit Bonnie Prince Charlie und Maria Stuart verband, sondern weil es mit dem Bus nur fünf Minuten entfernt war und zu jeder Tageszeit gutes Essen bot.
Mit einigen Gewissensbissen wegen der bevorstehenden Fahnenflucht, bei der ich Gorgonzola für die kommenden drei Tage in der Obhut der Galbraiths lassen wollte, öffnete ich den Reißverschluss des Rucksacks. Sie tapste mit der Pfote daran und versuchte, hineinzuklettern. Offensichtlich wollte sie mit.
»Aber nur unter der Bedingung, dass du mir keinen Ärger machst.«
Sie sah mich mit dem Unschuldsblick eines Wesens an, das sich noch nie danebenbenommen hat, dann machte sie einen Satz und verschwand in dem Gepäckstück.
The Sheep Heid Inn liegt am Fuß des Arthur’s Seat, jenem zapfenförmigen Gebilde aus Vulkangestein, das die Silhouette von Edinburgh beherrscht. In früheren Jahrhunderten erreichte man von dort aus in einem ziemlich kurzen Ritt Edinburgh Castle und Holyrood Palace. Für die heutigen Besucher liegt es günstig zur historischen Duddingston Kirk, dem Vogelschutzgebiet rings ums Duddingston Loch, und zu einem der Wege, die auf die Spitze des Arthur’s Seat führen.
An der Ecke eines schmalen Wegs gegenüber Duddingston Kirk entdeckte ich an strategischer Stelle ein Schild mit goldenen Lettern:
The Sheep Heid Inn
Ältester Pub in Schottland
Frühstück & Kaffee
Erlesene Auswahl an Malt Whisky
Biergarten
Bei dem Inn selbst handelte es sich um ein weißes, zweistöckiges Gebäude, an dessen Fassade der Name in großen Buchstaben prangte. Ein typisches grünes Pub-Schild mit einem Widderkopf darauf schaukelte leicht in der Brise. In den bleiverglasten Fenstern zu beiden Seiten der Eingangstür war ein faszinierendes Sammelsurium aus Antiquitäten zu bestaunen, von einer üppig ornamentierten viktorianischen Kasse über einen Kupfer-Samowar mit der Aufschrift »Glühwein« bis zu einer verstaubten Violine mit Kasten.
Würde das Lokal auch innen halten, was es von außen an Kuriosität versprach? Ein Messingschild an der Tür ließ Gutes hoffen: »Unser Vertrauen liegt in Gott, unsere Gäste zahlen bar.« Ich öffnete die Tür.
Warmes, bernsteinfarbenes Licht, dunkle kleine Nischen und Winkel. Als sich meine Augen an die schummrige Beleuchtung gewöhnt hatten, erkannte ich eine dunkelbraune Nut-und-Feder-Holzvertäfelung, dunkle, mit Zinnkrügen behängte Deckenbalken, dunkles Mobiliar unter einer niedrigen roten Decke. Durch die Phalanx an Zierrat war von den ockerfarbenen Wänden oberhalb der Vertäfelung kaum etwas zu sehen. Dabei gab es ein Ordnungsprinzip, nach dem sich die Wände unterschieden: an einer hingen nur Bilder, an einer anderen Pferdegeschirr und -beschläge, an der nächsten längst nicht mehr tickende Uhren, auf deren Ziffernblättern je eine andere Zeit angezeigt war. Auf einem Regalbrett, das dicht unter der Decke ringsum verlief, fand sich noch Platz für allerlei Krüge, Teller und Henkelbecher.
Um diese Zeit am Nachmittag waren nur wenige Tische besetzt. Ich nahm eine Speisekarte vom Tresen und sah mich nach einem diskreten Winkel um, wo ich den Reißverschluss des Rucksacks aufmachen und Gorgonzola den Kopf herausstrecken konnte. Sie
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