Das Geheimnis von Islay Island
langweiliger zu werden versprach, als in Portobello nach kleinen Booten Ausschau zu halten, die Drogen schmuggelten. Es musste einen schnelleren und leichteren Weg geben, herauszufinden, wer in den übrigen Wohnungen war. Vielleicht konnte ich ein Gespräch mit Sarah in die Richtung lenken.
Es war niemand am Empfangstisch, keine Menschenseele. Auch das Gästebuch war nirgends zu entdecken. Einen Moment überlegte ich, ob ich um die Ecke flitzen und die Schublade öffnen sollte, doch ich hörte Schritte. Als Sarah erschien, blätterte ich in Broschüren.
»Ah«, sagte ich. »Sie kommen gerade richtig. Ich bin wirklich beeindruckt von den Räumlichkeiten, und ich weiß, dass sie meinen Freunden aus London auch gefallen würden. Hätten Sie wohl für diese Woche noch etwas frei?«
Sie schüttelte skeptisch den Kopf. »Normalerweise müssen Sie Wochen im Voraus buchen. Sie selbst hatten Glück, dass gerade jemand abgesagt hatte.« Sie griff in die Schublade, zog das Gästebuch heraus und blätterte darin. »Ja, die anderen beiden Wohnungen sind schon belegt, ich fürchte, wir haben erst nächste Woche wieder was frei.« Sie schlug das Buch zu.
Dann wäre das ja geklärt. Ich hatte mich schon ein paar Schritte entfernt, als sie mir hinterherrief: »Theoretisch könnte es sein, dass die Einzimmerwohnung Linkwood noch storniert wird. Sir Thomas Cameron-Blaik und sein Gast wurden eigentlich für morgen Abend bis Montag erwartet, aber möglicherweise verschiebt sich der Termin. Falls er anruft und absagt, hinterlasse ich Ihnen eine Nachricht.«
»Dann hoffe ich mal, dass es klappt.«
Ich ging zum Clubraum weiter, setzte mich auf ein Sofa an einem der Feuer und blätterte in der Whisky-Karte. »Tanz auf den Dächern« entsprach perfekt meiner Stimmung. Rauchig, von Islay – eine vollendete Kombination.
Als ich wieder in meiner Wohnung war, starrte ich über die Dächer von Leith. Ich hatte mir im The Sheep Heid Inn geschworen, unverzüglich in der Dienststelle anzurufen, sobald ich wusste, wo sich Moran aufhielt. Wieso also griff ich nicht zum Hörer?
Weil ich wusste, wie der Wortwechsel mit Attila dem Hunnen laufen würde, nämlich:
Ich: Ich habe herausbekommen, dass es im The Vaults für morgen eine Buchung unter dem Namen Sir Thomas Cameron-Blaik gibt. Das heißt, Moran ist nicht tot, sondern kommt hierher – falls er nicht in letzter Minute absagt. Ich habe mit der Empfangsdame vereinbart, dass sie mir Bescheid gibt, falls er das tut, und –
Der Hunne: Moran ist tot, Smith. Er kann nicht absagen, wenn er tot ist. Es sei denn, die hätten einen heißen Draht zur Hölle.
Ich: Aber es gibt definitiv diese Buchung im Namen von Sir Thomas. Ich habe mich gerade davon überzeugt.
Der Hunne: Und wann genau wurde diese Buchung wohl vorgenommen? Haben Sie auch das überprüft?
Ich: Ähm … nein. Daran habe ich nicht gedacht …
Der Hunne: Genau. Sie werden dafür bezahlt zu denken, Smith, aber offenbar muss ich das für Sie übernehmen. Moran ist tot. Er hat die Buchung gemacht, bevor er gestorben ist.
Ich: Aber –
Der Hunne: Vergeuden Sie nicht meine Zeit, Smith. Moran ist t-o-t, er ist tot. Mausetot , sage ich Ihnen.
Und so ungern ich es zugab, war diese Wohnung vielleicht tatsächlich schon vor einem Monat gebucht worden, also bevor Moran Sir Thomas begegnete und ihn tötete. Hatte die Rezeptionistin nicht gesagt, dass die Buchungen gewöhnlich viele Wochen im Voraus gemacht wurden? Ob Moran auftauchte oder nicht, war allzu ungewiss. Nein, vorerst hatte dieser Anruf keinen Sinn. Morgen Abend würde ich Sicherheit haben.
In dieser Nacht schlief ich nicht gut. Ich warf mich im Bett hin und her und wachte schweißgebadet aus einem Traum auf, an den ich mich nur vage erinnern konnte und in dem ich mit Attila dem Hunnen eine Partie Scrabble spielte. Jedes Mal kam bei dem von mir gelegten Wort MORAN heraus; jedes Mal knallte er die Buchstaben T, O und noch einmal T hin, so dass quer übers Brett die Botschaft stand:
Brrr Brrr, Brrr Brrr . Attila warf einen Blick auf die Anruferkennung am Telefon neben dem Scrabble-Brett.
»Gehen Sie besser ran, Smith. Das ist der heiße Draht aus der Hölle.«
Brrr Brrr … Die Sonne schien, und was da klingelte, war das Telefon neben meinem Bett. Gerädert streckte ich die Hand aus und nahm ab. Der Anruf kam nicht aus der Hölle, sondern von der Rezeption, und zwar mit einer Nachricht, bei der ich augenblicklich hellwach war. Sie hatten einen Anruf bezüglich der
Weitere Kostenlose Bücher