Das Geheimnis von Islay Island
Sir Thomas drehte sich zu ihm um und schüttelte ihm die Hand. Es folgte ein joviales, freundliches: »Na, dann hätten wir die Sache ja geklärt. Ich rufe Sie morgen Abend um acht im Harbour Inn an und fahre mit Ihnen zum neuen Lager, damit Sie Ihre Fässer inspizieren können. Wir sorgen dafür, dass Sie rechtzeitig wieder in Port Ellen sind, um die Fähre morgen früh zu bekommen.«
»Und der Leihwagen, um bis hier rauszukommen? Mit der Ausgabe hatte ich nicht gerechnet, als –« Es lag immer noch eine Spur seiner vorherigen Streitlust in seinem Ton.
»Waddington wird Ihnen die Kosten erstatten und den Wagen zurückbringen. Geben Sie ihm einfach morgen die Quittung. Kein Grund zur Sorge, George.« Noch ein fester Handschlag. »Wir werden uns um alles kümmern.« Er kehrte ins Billardzimmer zurück, und hinter ihm schloss sich lautlos die Tür.
Ich hielt dem Gast die Haustür auf. »Ich hoffe, alles hat sich zu Ihrer Zufriedenheit aufgeklärt, Sir.«
Winstanley brummte nur. »Das wird sich zeigen.«
Ich sah zu, wie er sich hinter das Lenkrad klemmte. Ohne sich noch einmal umzusehen, brauste er so schnell Richtung Tor, dass der Kies unter den Reifen wegspritzte.
Ich ging nach oben, um zu sehen, was für ein Chaos Gabrielle mir hinterlassen hatte. Im Flur stand ihre Badezimmertür offen, aus der duftende Dampfwolken in den Korridor wogten. Als ich eintrat, fand ich wie gewöhnlich nasse Handtücher auf dem Boden und eine volle Badewanne, da es Mylady Gabrielles Kräfte überstieg, den Stöpsel zu ziehen.
»Denke, das haben wir ziemlich geschickt gedeichselt, wie?«, hörte ich Sir Thomas von der Treppe aus.
Ein Murmeln von Waddington.
Ich drehte die Wasserhähne voll auf, denn das Geräusch würde ihnen signalisieren, dass Elizabeth Dorward, Butlerin, ganz in ihren Pflichten aufging und den Vorfall mit Mr George Winstanley längst vergessen hatte.
Beim Abendessen gestaltete sich die Unterhaltung schleppend. Sir Thomas hatte ausnahmsweise einmal wenig zu erzählen; Ms Chang saß mit unergründlicher Miene da und sagte nur etwas, wenn jemand sie ansprach; Waddington, der diesmal dabei war, machte kein einziges Mal den Mund auf; Gabrielle, die gewöhnlich keine Gelegenheit ausließ, mich für meine tatsächlichen oder vermeintlichen Versäumnisse zurechtzuweisen, verlor kein Wort, als mir der Wein aufs Tischtuch tropfte. Sie schienen alle zu sehr in Gedanken, um die tour de force , die der Koch ihnen vorgesetzt hatte – einen ganzen Lachs, den er in Crème fraîche und Dill kunstvoll angerichtet hatte –, auch nur zu kosten. Was immer in ihren Köpfen vor sich gehen mochte, ich sollte es nicht erfahren. Ich hatte den Servierlöffel gerade knirschend in eine großartige Eissplittertorte gegraben, als Sir Thomas in gereiztem Ton zu mir sagte: »Lassen Sie mal, Dorward, wir nehmen uns selbst.« Als ich mich zum Gehen wandte, fügte er hinzu: »Ach so, und sagen Sie dem Koch, dass ich das Frühstück morgen um sechs Uhr fünfzehn wünsche.«
Somit mussten der Koch und ich in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett. Ich war wenig erpicht darauf, ihm die schlechte Nachricht zu überbringen.
Auch Gabrielle war von der Aussicht nicht begeistert. » Mon Dieu , Thomas! Um Viertel nach sechs? Das ist ja mitten in der Nacht!«
Er beugte sich vor und nahm ihre Hand. »Das gilt nur für Waddington und mich, meine Liebe. Wir müssen rechtzeitig in Bowmore sein, um Mr Winstanley zu dem neuen Lager mitzunehmen und ihm seine Fässer zu zeigen. Von da aus fahren wir ihn nach Port Ellen, damit er seine Fähre bekommt. Nein, nein, ich würde dir und Ms Chang hier doch nicht zumuten, um diese Zeit zum Frühstück zu erscheinen.«
Da meine Anwesenheit nicht länger erforderlich war, begab ich mich nach unten in die Küche. Auch für mich gab es einiges zu bedenken: Winstanleys »verschwundene« Whiskyfässer, um es präzise auszudrücken. Sir Thomas’ Erklärung war – oberflächlich betrachtet – sehr überzeugend gewesen, doch ich hatte noch seine erste, an Panik grenzende Reaktion vor Augen, als ich ihn vom unmittelbar bevorstehenden Eintreffen des Besuchers unterrichtete. Eine so heftige Reaktion konnte in der Tat darauf schließen lassen, dass er etwas zu verbergen hatte. Winstanleys Überzeugung, jemand habe seine Fässer gestohlen, mochte also durchaus den Tatsachen entsprechen.
Ich hatte die Küchentür kaum geöffnet, da bemerkte ich schon, dass etwas nicht stimmte. Der Koch saß schweigsam und mit düsterer Miene am
Weitere Kostenlose Bücher