Das Geheimnis von Islay Island
»Oder würdest du ihn c) nicht anrühren?«
Leises Schnarchen. Auch das hieß nein.
»Na schön, bliebe nur noch d). Du würdest ihn fressen und die Schuld auf ein anderes Haustier schieben, indem du ihm ein Stück ins Körbchen legst. Würdest du das tun, Mieze? Stimmt das?«
Sie fuhr die Krallen aus und pikte mich in den Oberschenkel.
Die Schuld auf andere schieben, genau das hatte Gorgonzola getan, und zwar nicht lange, nachdem ich sie zur Schnüffelausbildung der Hunde mitgenommen hatte. Ein Fisch war von der Arbeitsfläche in der Küche verschwunden, und später hatte ich entdeckt, dass der Kopf durch den Maschendraht rund um die Hundezwinger geschoben worden war.
Wieder gruben sich die scharfen Krallen behutsam in mein Bein. Erinnerte sie sich auch daran?
Von einer Böe erfasst, peitschte der Regen gegen die Scheibe. Falls das Unwetter Sir Thomas und seine Gäste überrascht hatte, würde es seine Laune kaum verbessern. Die Flammen vor mir im Kamin züngelten hoch, als ein Holzscheit in sich zusammenfiel. Ich lehnte mich im Sessel zurück und schloss die Augen. Erschöpft vom Schlafmangel der letzten Nacht, döste ich ein.
Es klingelte. Beharrlich. Das Feuer war auf einen glimmenden Haufen aus Holz und Asche heruntergebrannt. Es läutete weiter. Das musste Waddington sein oder, schlimmer noch, Sir Thomas, der gerne gewusst hätte, wieso ich es versäumt hatte, den Tisch fürs Abendessen vorzubereiten.
Ich sprang auf, so dass Gorgonzola wie ein Knäuel aus Fell von meinem Schoß rollte. Mit einem vorwurfsvollen Miauen verlangte sie ihren Platz im Sessel augenblicklich wieder zurück.
Ich griff hastig nach dem Hörer. »Dorward am Apparat.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass ich nicht Waddington in der Leitung hatte, sondern Gabrielle, schrill und gereizt.
» Mon dieu , isch zittere am ganzen Leib. Isch bin nass bis auf die ’aut. Isch möschte das ’eiße Bad und die warmen ’andtüscher, und zwar tout de suite . Jetzt gleisch, Sie verstehen? Wieso sind Sie nischt schon da? Was ’aben Sie sisch nur gedacht, Dorward?« Ihre Stimme überschlug sich.
Ich hielt den Hörer in einigem Abstand zum Ohr und ließ sie ihre Gardinenpredigt darüber abspulen, was sie von einer Butlerin erwartete und wie weit ich hinter diese Erwartungen zurückgefallen war.
»Sie ’aben nischt mal den ’andtuch’alter eingeschaltet. Imbecile! ’aben Sie den Regen nischt gesehen? Wir mussten früher zurück. Jeder Dummkopf ’ätte gewusst, dass wir nass sind.«
Sie legte eine Atempause ein und gab mir Gelegenheit, ein höfliches »Das tut mir schrecklich leid, Madam, ich bin sofort zur Stelle« einfließen zu lassen. Dann legte ich rasch auf, bevor sie von vorn loslegen konnte.
Dämliche Kuh. Ihr Bad wäre längst fertig und ihre Handtücher warm, wenn sie selbst den Hahn aufgedreht und den Halter eingeschaltet hätte, statt ihre Zeit mit ihrer Standpauke am Telefon zu verplempern.
Ich kam gerade mit Gabrielles nassen Kleidern nach unten, als ich die Gegensprechanlage des Eingangstors summen hörte und sah, dass sich der Monitor der Überwachungskamera eingeschaltet hatte. Ich hastete die letzten Stufen hinunter, um zu sehen, wer der Besucher war, bevor Waddington sich von seinem Büro aus einklinkte und das Bild erlöschen würde.
Es surrte wieder. Noch zeigte der Bildschirm die Kameraaufnahmen. Der übergewichtige Mann, der auf dem Monitor erschien, war offensichtlich sehr verärgert. Er hatte ein rotes Gesicht, der Mund war zu einer schmalen Linie verkniffen.
Surren ohne Ende. Waddington meldete sich nicht. Wahrscheinlich zog er gerade die nassen Sachen aus oder entspannte sich in der Wanne.
Drrr. Drrr. Drrr. Die Wut des Besuchers schien sich sekündlich zu steigern. Er brüllte offenbar. Plötzlich verschwand sein Gesicht von der Bildfläche. Er hatte wohl kehrtgemacht. Er lief zu seinem Wagen, griff durchs Fenster hinein und drückte laut auf die Hupe. Bevor ich mich über die Gegensprechanlage melden konnte, gab er diese Taktik auf, eilte zum Tor zurück und rüttelte heftig an den Eisenstäben.
Wer auch immer der Mann sein mochte, Louis Moran war es nicht. Die korpulente Statur konnte man aufpolstern, doch selbst ein Meister der Verkleidung brachte es nicht fertig, sich, einschließlich Armen und Beinen, zu schrumpfen. Nein, nicht Louis Moran, sondern jemand anderes, der mit Sir Thomas dringende Termine hatte. Sollte ich auf Nummer sicher gehen und mich mit Gabrielles Kleidern einfach
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