Das Geheimnis von Islay Island
seufzte. Nach einer letzten langen Pause ließ er die Bombe platzen. »Der Zahnanalyse nach handelt es sich bei der Leiche zweifelsfrei um Lady Amelia Cameron-Blaik.«
Wenn ich sage, dass ich fassungslos war, ist das sicher ein Klischee, doch besser kann ich es nicht beschreiben. Bis zu dieser Enthüllung hatte mein Auftrag nur gelautet zu warten, bis Moran erschien, und mich in dem Moment schnellstens aus dem Staub zu machen. Sir Thomas’ illegale Machenschaften waren im Vergleich zur Festnahme von Moran nicht so wichtig gewesen. Durch den Mord an Lady Cameron-Blaik war eine völlig neue Situation entstanden.
»… daher konnte ich«, hörte ich Gerry sagen, »die Polizei überreden, gegenüber ihrem Mann mit der Nachricht noch eine Woche hinter dem Berg zu halten. Wo wir so nah dran sind, Moran zu schnappen, sind polizeiliche Ermittlungen und Zeitungsartikel das Letzte, was wir brauchen können. Mein Gefühl sagt mir, dass Lady Amelias Tod durchaus mit den Vorgängen auf Allt an Damh zusammenhängen könnte. Ich muss Ihnen ja wohl nicht sagen, dass Sie wirklich äußerst vorsichtig sein müssen, Deborah.« Der ernste Ton sprach Bände.
Ich hatte gerade die Tür geöffnet und war schon mit einem Bein aus der Zelle, als ein schwarzer Geländewagen vorbeibrauste und, bevor ich das Nummernschild lesen konnte, um die nächste Kurve verschwunden war. Ich starrte hinterher.
Kein Grund zur Sorge, redete ich mir gut zu. Sir Thomas wird erst in einigen Stunden hier entlangkommen. Offenbar geht die Fantasie mit dir durch.
Trotzdem konnte ich auf der Rückfahrt an nichts anderes als diesen Wagen denken, und je mehr ich mich dem Tor von Allt an Damh näherte, umso schlimmer wurde es. War Sir Thomas tatsächlich vor mir zurückgekommen, dann wurde das Tor jetzt vom Haus aus bedient und ich hätte keine Möglichkeit, einfach hineinzufahren. Doch als ich vorsichtig die Flügel bewegte, schwangen sie lautlos zurück. Alles war in Ordnung. Ich trat aufs Gas, und als ich – keine Minute zu früh – die Haustür erreichte, waren meine Hände am Lenkrad nassgeschwitzt.
Nachdem wir bereits seit einer halben Stunde in Gruinart Vögel beobachtet hatten, zeigte Gabrielle immer noch nicht den geringsten Enthusiasmus. Durch die Windschutzscheibe betrachtete sie verdrossen die Wildgänse, die auf dem grauen Wasser des Sees dahinglitten.
»Das ist so langweilisch. Nischts weiter zu sehen als Wasser und Gras und Seevögel – oder sind das vielleischt Enten?« Sie senkte das Fernglas und warf es auf den Rücksitz. »Isch ’abe genug Vögel gesehen, Dorward!«
Da vom Moment unserer Ankunft an klar war, dass sie nicht das geringste Interesse an der Fauna hatte, es sei denn, sie wurde ihr auf dem Teller serviert, fragte ich mich, was wir hier zu suchen hatten. Gab es ein verstecktes Motiv, mich von Allt an Damh fernzuhalten? Ich beschloss, ihr ein bisschen auf den Zahn zu fühlen.
»Vielleicht wollen Sie doch lieber nach Allt an Damh zurück, Madam?«
» Non , Dorward. Thomas hat sisch deutlisch ausgedrückt. Wir dürfen nischt vor vier zurück sein. Fahren Sie misch einfach woanders ’in.«
Ich musste mich abwenden, um mir meine Genugtuung nicht anmerken zu lassen, und tat so, als rückte ich den Außenspiegel zurecht.
Indirekt hatte sie zugegeben, dass die Fahrt keineswegs ein spontaner Einfall, sondern ein geplantes Unternehmen war. Während unseres Ausflugs ging irgendetwas auf Allt an Damh vor sich, das Sir Thomas geheim halten wollte. Brachten sie vielleicht die letzte Drogenlieferung, die mit dem Boot gekommen war, aus dem Schuppen woanders hin? Fuhr also vielleicht dieser Lieferwagen wieder vor?
Sie zog den Reiseführer aus dem Handschuhfach und warf ihn mir hin. »Finden Sie einen interessanteren Ort, Dorward.«
Ich blätterte ihn durch. »Finlaggan ist nicht weit von hier. Da steht, dass die Herren der Insel bereits im Mittelalter dort ihren Sitz hatten und –«
» Merde auf all die öde Geschischte!« Sie schnappte mir das Buch weg. »Fahren Sie mich einfach hin, Dorward. Worauf warten Sie noch?«
Auch für einen Besuch von Finlaggan war es nicht der beste Tag. Ein kalter, stürmischer Wind peitschte die langen Gräser zu Boden und wühlte das graue Wasser zu schäumenden Wellenkämmen auf. Am düsteren Himmel senkten sich die Wolken auf die umgebenden Hügel und drohten jeden Moment mit Regen. Über uns zog ein schwarzer Vogel langsam seine Kreise und durchbrach das Tosen mit seinem rauen Krächzen. Wir saßen da
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