Das Geheimnis von Islay Island
besorgen.«
Auf der Lichtung am Waldrand öffnete ich den Rucksack. Wie ein Champagnerkorken aus der Flasche zischte Gorgonzola hervor und schoss zu einer fallenfreien Futtersuche ins tiefe Gras. Sie würde zurückkommen, sobald ich pfiff. Während ich es mir auf einem umgefallenen Baumstamm bequem machte, um auf Sandy zu warten, versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren. Wieso war gestern Abend noch so spät ein Wagen von Allt an Damh weggefahren? Hatte der Fahrer auf meine Rückkehr gewartet, damit sich unsere Autos auf der Straße nicht begegneten? War er – beziehungsweise waren sie – nach Kildalton unterwegs gewesen, um die Leiche wegzuschaffen? Oder hing das Ganze eher mit dem Verschwinden von Chang zusammen?
Mit einem scharfen Knacken zerbrach hinter mir ein Zweig. Ich sprang auf und wirbelte herum.
»Das war leichtsinnig von Ihnen.« Sandy stand kaum einen Meter von mir entfernt im Schatten. »Nie die Rückendeckung vernachlässigen, eine der ersten Regeln bei der Gefechtsausbildung.«
»Ich wusste die ganze Zeit, dass Sie da sind«, schwindelte ich und bekam ein stirnrunzelndes, ungläubiges »Ach ja?« zur Antwort.
Ich setzte mich wieder auf meinen Stamm. »Was haben Sie am Flughafen in Erfahrung gebracht?«
Er nahm neben mir Platz. »Ihre Ms Chang stand tatsächlich auf der Liste der Passagiere.«
»Dann ist sie also abgeflogen, und Sie haben sie nicht mehr erwischt. Ich muss sagen, ich bin erleichtert. Nicht schön, der Gedanke, dass es am Ende noch einen Mord gegeben haben könnte.«
»Da würde ich keine vorschnellen Schlüsse ziehen«, sagte er, unwissentlich fast im selben Wortlaut wie Gerry Burnside. »Ich habe nur gesagt, dass ihr Name auf der Liste stand. In der Maschine, die mit Verspätung um vierzehn Uhr nach Glasgow aufbrach, saß allerdings keine Ms Chang.«
So viel zu Burnsides Theorie, sie hätte die Drogen unter dem Bett gelassen, weil sie mit dem Flugzeug wegwollte. Ausnahmsweise einmal hatte sich Gerry geirrt. Chang war also tatsächlich mit der Fähre abgereist.
»Den Flug zu buchen«, sagte ich im Brustton der Überzeugung, »war sicher eine List, um Leute wie Cameron-Blaik auf die falsche Fährte zu locken, damit er, wie er es ja auch getan hat, zum Flughafen rast, während sie gemütlich mit der Fähre verschwindet.«
Er schüttelte den Kopf. »Mit dieser Theorie machen Sie eine Bruchlandung. Sie war tatsächlich am Flughafen. Das Personal erinnerte sich an sie, weil sie sich über die stundenlange Verspätung des Abflugs so aufgeregt hat.«
Ich starrte ihn an. »Am Flughafen, aber nicht in der Maschine?«
»Sie ist wie vom Erdboden verschluckt«, sagte er. »Als der Flug aufgerufen wurde, ist sie einfach nicht erschienen. Sie mussten ihr Gepäck wieder ausladen.«
Obwohl die Sonne schien, war mir plötzlich kalt. Chang war verschwunden, womöglich hatte es also noch einen Mord gegeben, der ohne Leiche natürlich nicht zu beweisen war.
Anders im Fall des armen Winstanley, den sie in ihrer Hast in dem Muschelhaufen vergraben hatten – es war höchste Zeit zu handeln.
Sandys Wagen und – noch viel wichtiger – seine Kamera befanden sich etwa eine halbe Stunde zu Fuß von hier entfernt, und mit dem Auto waren es nach Kildalton noch einmal fünfundvierzig Minuten. Wenn ich die Leiche fotografieren und dann rechtzeitig zum Dienstantritt um fünf wieder auf Allt an Damh sein wollte, durfte ich keine Zeit verlieren. Ich pfiff nach Gorgonzola, hatte allerdings die Versuchungen des Unterholzes grob unterschätzt. Nachdem ich eine Minute darauf gewartet hatte, dass sie sich endlich blicken ließ, pfiff ich erneut. Wieder keine Reaktion.
»Sie hat Sie sehr wohl gehört und kommt trotzdem nicht. Gehorsamsverweigerung – gehört vors Kriegsgericht, wenn Sie mich fragen.« Sandy stützte das Kinn auf die Hand, als richtete er sich auf eine lange Wartezeit ein.
»Sie ist misstrauisch gegenüber Männern«, sagte ich zu ihrer Verteidigung. »Wahrscheinlich hat sie Angst vor Ihnen.«
»Bei unserer letzten Begegnung am Schuppen war davon nichts zu bemerken.«
»Da war es dunkel«, beharrte ich. »Sie hat Sie nicht richtig gesehen.«
Verächtliches Schnauben. Dann schnalzte er und rief freundlich lachend: »Komm zu Papa, Gorgonzola.«
Fast im selben Augenblick bewegte sich etwas im Gras, dann teilten sich die Halme, und mit tänzelnden Schritten kam Gorgonzola auf ihn zugelaufen, um ihm mit lautem Schnurren liebevoll ums Bein zu streichen.
»Wer hat hier angeblich Angst
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