Das Geheimnis von Islay Island
die Blutergüsse in meinem Gesicht fiel. »Etwas Schreckliches ist passiert, stimmt’s?«
Die Zeit hatte gereicht, um mir eine Geschichte zurechtzulegen. »Ähm, ja.« Behutsam tastete ich mir über die Beule und zuckte zusammen. »Da ich den Samstag frei hatte, dachte ich, ich gönne mir eine kleine Sightseeing - Tour. In der Bibliothek im Billardzimmer gibt es einen bebilderten Führer über Islay, und ich war mir sicher, dass Sir Thomas nichts dagegen hätte, wenn ich da mal reinsehe. Während ich in einem der Ohrensessel saß und über die schrecklichen Schiffsunglücke las, kamen er und Waddington die Treppe runter und redeten in der Diele. Ich hab nicht weiter hingehört, bis sie den Namen Winstanley erwähnten und –«
»Winstanley? Das ist der Kerl, der sich lautstark darüber ausgelassen hat, dass Sir Thomas ihm den Whisky gestohlen hätte, oder?« Ann-Marie genehmigte sich noch ein Stück Kuchen.
So langsam gewann meine Geschichte an Fahrt. »Den vergisst man nicht so schnell, so, wie der rumgebrüllt hat und was der für Anschuldigungen gemacht hat! Ich hab gehört, wie Waddington sagte, der hätte noch mal angerufen und sei drauf und dran, ein zweites Mal in die Brennerei zu kommen, um eine Probe von seinen Fässern zu nehmen und zu einer Laboruntersuchung einzuschicken. Waddington war in Panik, weil der Whisky in den Fässern nur ein Jahr alt war und nicht fünfzig.« Ann-Marie streckte fordernd die Hand aus. »Du schuldest mir fünf Pfund, Roddy. Ich hatte Recht mit der Vermutung, dass Sir Thomas was im Schilde führt.«
Er sah sie missmutig an. »In Gottes Namen, Mädel, lass die Leute doch mal ausreden.«
Ich fuhr hastig fort. »Sir Thomas lachte nur und meinte, er bräuchte sich keine Sorgen zu machen, es sei ein Kinderspiel, zu diesem Zweck Winstanleys Nummer an den echten Fässern mit dem fünfzigjährigen Whisky anzubringen. Er sagte: ›Das machen wir doch nicht zum ersten Mal.‹« Damit lag ich wahrscheinlich richtig. Vermutlich war diese Masche beim echten Sir Thomas schon jahrelang gelaufen.
»Die Schilder ausgetauscht!« Roddy hob in gespielter Bewunderung seinen Henkelbecher.
»Als ich das alles hörte, dachte ich, mein Gott, hoffentlich merken die nicht, dass ich hier sitze und jedes Wort mitbekommen habe!« Ich legte eine Kunstpause ein.
»Haben sie aber, was?«
»Meine eigene Schuld. Mir ist der Wälzer von den Knien auf den Boden gerutscht – keine Chance, dass sie das nicht bemerkt hätten. Waddington zischte: ›Da ist jemand im Billardzimmer‹, und Sir Thomas stürmte herein. Bevor ich aufstehen konnte, zerrte er mich aus dem Sessel und stieß mich gegen die Wand. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern …« Ich legte mir erschöpft die Hand vor die Augen. »Im Cottage kam ich zu mir und stellte fest, dass alle Türen und Fenster vernagelt waren.«
Das sollte genügen. Es würde sie davon überzeugen, dass Sir Thomas mich angegriffen hatte, um seine krummen Geschäfte geheimzuhalten, ließ aber nicht durchblicken, dass er ein skrupelloser Schwerverbrecher war, der vor Mord nicht zurückschreckte. Zufrieden, wie ich diese heikle Situation gemeistert hatte, lehnte ich mich zurück.
Beide schwiegen und dachten über die Enthüllungen nach. Ann-Marie, die mir an den Lippen gehangen hatte, schluckte die Geschichte anscheinend ohne Wenn und Aber. Bei Roddy war ich mir da nicht so sicher.
Nach einer langen Pause sagte er: »Ich verstehe, wieso die Sie daran hindern wollten, Winstanley oder die Polizei zu verständigen, aber wozu sollten die Sie ins Cottage schleppen und dort die Fenster verbarrikadieren?«
Ich starrte ihn mit leerem Kopf an. Darauf hatte ich keine Antwort. Meine sorgsam ausgedachte Geschichte war in sich zusammengefallen wie ein Soufflé bei kalter Zugluft.
Ann-Marie sprang mir schließlich bei. »Liegt doch auf der Hand, Roddy. Die wollten sie ausschalten. Konnten sie doch nicht ziehen lassen. Dann hätte sie schließlich alles ausgeplaudert. Sie haben sie eingesperrt, damit sie dort verhungert .« Ganz offensichtlich führte sie sich das Entsetzliche der Situation vor Augen.
»Blödsinn! Wenn sie vorgehabt hätten, sie umzubringen, hätten sie’s auf der Stelle im Billardzimmer getan.«
»Klar, und ich hätte rings um sie rum staubgewischt, ohne es zu merken!«
Sie funkelten sich an, und für einen Moment vergaßen sie mich, vor allem aber den offensichtlichen Haken meiner Geschichte.
»Vielleicht hat Sir Thomas gemerkt, dass das Spiel vorbei
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