Das Geheimnis von Islay Island
vereinzelter Wagen, keiner davon Morans.
Wir waren auf der Küstenstraße unweit des Piers, als das Motorrad langsamer wurde und schließlich stehen blieb.
Roddy klappte das Visier hoch. »Reicht das? Das ist die nächste Telefonzelle zur Fähre.«
Glücklicherweise war mir kurz vor unserer Abfahrt wieder eingefallen, dass ich noch einen dringenden Anruf zu tätigen hatte …
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.« Ich stieg vom Motorrad und setzte den Helm ab. »Ich rufe eben die Agentur an und sage ihnen, dass ich gekündigt und Allt an Damh verlassen habe, und warte dann irgendwo abseits, bis die Fähre ablegt.« Lügen über Lügen. »Sind ja nur ein paar Stunden. Ich komme schon klar.«
Er ließ den Motor ein paarmal aufheulen. »Behalten Sie den Helm und die Jacke. Wenn die sich doch noch hier herumtreiben und spitzkriegen, dass Sie aus dem Cottage ausgebrochen sind, werden sie Ihnen hierher folgen. Das wird ihr erster Gedanke sein, aber sie werden nicht nach einem Motorradfahrer Ausschau halten. Und machen Sie sich über das Zurückbringen der Sachen keine Gedanken. Waren ja übrig.«
Als er davonrauschte, hob er noch einmal den Arm und spreizte zwei Finger zum Sieger-V.
Ich ging ein paar Schritte Richtung Telefonzelle. Ich sollte Gerry anrufen, es wurde wirklich höchste Zeit, aber … Die Brennerei Sròn Dubh war nur wenige Kilometer entfernt, so verführerisch nah. Der alarmierende Anruf, bei dem Moran alles stehen und liegen gelassen hatte und losgefahren war, hing mit der Brennerei zusammen, da war ich mir sicher. Und wenn ich nun ein bisschen auskundschaftete, was sein nächster Schachzug sein könnte? Wenn ich ehrlich war, wollte ich natürlich Gerry Informationen präsentieren, die zu einem Rekord-Drogenfund führten. DJ Smith, die Heldin des Tages und so weiter.
Also was nun? Ein Anruf oder ein Besuch in der Destillerie? Ich konnte mich nicht entscheiden. In dem Moment entdeckte ich das Schild an einem Holzpfahl auf dem Grasstreifen zwischen Straße und Strand.
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Bothy Bikes, Lennox Street, Port Ellen
Wieso laufen, wenn man die Destillerien auf zwei Rädern
so viel schneller erreichen kann?
Mehr Brennereien in kürzerer Zeit!
Ich folgte dem Richtungspfeil und war zwanzig Minuten später vorübergehende Besitzerin eines prächtigen Mountainbikes.
18
D ie Brennerei Sròn Dubh befand sich an einem der vielen Meeresarme an diesem Teil der Küste. Wie die meisten Destillerien hatte auch diese Zugang zu einem kleinen Bach, der aus den dahintergelegenen Hügeln frisches Quellwasser lieferte. Da es undenkbar war, einfach mit dem Fahrrad das Tor zu passieren, nutzte ich stattdessen einen vermutlich von Schafen getrampelten Pfad an den grasbewachsenen Felsen entlang und näherte mich in weitläufigem Bogen meinem Ziel. Als die pagodenförmigen Schornsteine der Brennerei über einer Baumgruppe auftauchten, stieg ich ab, versteckte, so gut ich konnte, Helm und Rad und ging vorsichtig zu Fuß weiter.
Die Rückseite einer großen Wellblech-Lagerhalle verstellte mir den Blick auf die Brennerei. Ich drückte mich flach an die Wellblechwand und horchte auf Stimmen oder andere Geräusche, die auf Aktivitäten schließen ließen. Von der See drangen die heiseren Schreie der Möwen herüber, die sich wahrscheinlich im Kielwasser eines Fischerboots kabbelten; in der Nähe war nur das Rascheln der Blätter in einer leichten Brise zu hören und das einsame Blöken eines verirrten Schafs.
Ich legte mich flach auf den Bauch und robbte langsam vorwärts, bis ich um die Ecke des Schuppens sehen konnte. Das menschliche Auge nimmt Bewegung schnell wahr, doch am Boden war die Gefahr geringer, dass mich jemand sah. An der Seite des Schuppens lagen haufenweise zerbrochene Fassdauben sowie leere, zersplitterte Fässer, zwischen denen das Unkraut wucherte, trauriges Zeugnis für den jahrelangen Niedergang eines Betriebs.
Jetzt konnte ich nachvollziehen, wie der echte Sir Thomas Cameron-Blaik in Versuchung geraten war: Als ihm der Verlust des Familienunternehmens drohte, war er auf den Schwindel mit den Whiskyfässern verfallen. Er hatte es zweifellos genau durchdacht – es würde wahrscheinlich fünfzehn bis zwanzig Jahre dauern, bis die Käufer ihren Whisky überprüften, und falls irgendein missliebiger Kunde doch einmal auftauchte, würde er ihm ein echtes Fass mit der entsprechenden Schablonennummer zeigen. Tausend Pfund von jedem Investor für ein eingelagertes Fass waren – dank
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