Das Geheimnis von Melody House
Leute erzählten sich, dass es in Melody House spukte, aber solche Geschichten waren in Matts Augen ganz normal. Das Haupthaus war weit über zweihundert Jahre alt. Es hatte die amerikanische Revolution überlebt, den Bürgerkrieg und jede Menge Konflikte dazwischen. Natürlich wusste er, dass sich um alles, was so alt war, immer gewisse Legenden rankten. Und offensichtlich wollte fast die ganze Welt an Spukgeschichten glauben. Die Leute schafften es eben nicht, einfach nur traurig auf die Tragödien der Vergangenheit zurückzublicken, sondern mussten irgendetwas “hineingeheimnissen”.
Aber Matt glaubte nicht an Geister. Er hatte früher im Großraum Washington, D.C. gearbeitet und wusste, dass sich schon in der Welt der Lebenden so grausame, barbarische Dinge abspielten, dass es schlicht sinnlos war, sich auch noch über die Welt der Toten den Kopf zu zerbrechen.
“Geh schon endlich und zieh dir was an”, befahl Roger in barschem Ton.
Aus ihren immer noch weit aufgerissenen blauen Augen starrte Jeannie ihn rebellisch an.
“Ich werde nicht – und zwar
nie
mehr, hast du mich verstanden? – in dieses Zimmer hinaufgehen! Da spukt nämlich ein Gespenst herum und … bedroht mich.”
Matt schüttelte den Kopf und betete um Geduld, dann schaute er erst Braut, dann Bräutigam an. Wahnsinn! Wie schnell doch im Paradies der Segen schief hängen konnte.
“Hören Sie zu, Jeannie”, sagte er geduldig, “hier gibt es keine Gespenster. Ich habe immerhin den größten Teil meines Lebens in diesem Haus verbracht, und irgendwann gab es sogar mal einen Stromausfall. Da war es stockdunkel, und spätestens in diesem Moment hätte sich mir der Geist doch gezeigt, meinen Sie nicht? Sie können es mir wirklich glauben, es gibt hier keine Gespenster.”
Obwohl er sich um einen beiläufigen Ton bemüht hatte, hörte er, dass zumindest in seinem letzten Satz eine gewisse Schärfe mitgeschwungen hatte. Diese idiotischen Gespenstergeschichten hingen ihm wirklich langsam zum Hals heraus.
“Da siehst du, was du angerichtet hast”, sagte Roger vorwurfsvoll zu Jeannie. “Großartig. Wir werden hier traumhafte Flitterwochen verleben, nachdem du den Hauseigentümer so vor den Kopf gestoßen hast.”
“Entschuldigen Sie, aber ich bin nicht verärgert, auch wenn es sich vielleicht so anhört”, beeilte sich Matt zu versichern. “Ich glaube nur einfach nicht an Geister. Hören Sie, Jeannie, heute war ein großer, anstrengender Tag für Sie, und ich bin mir sicher, dass Sie beide … bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie haben bestimmt auch etwas getrunken. Sie sind ganz einfach immer noch aufgeregt, Jeannie. Natürlich müssen Sie nicht in das Zimmer zurück. Wir holen Ihre Sachen, und dann können Sie und Roger für den Rest Ihrer Flitterwochen im Cottage wohnen; wie finden Sie das? Und jetzt macht Penny uns allen erst mal einen Tee, und ich räume drüben das Feld. Es dauert nur ein paar Minuten.”
Abrupt drehte sich Jeannie zu ihm um. Es sah fast so aus, als wollte sie sich in seine Arme zu werfen.
Tu das nicht, Jeannie, bitte!
flehte Matt in Gedanken.
“Und warum schlägt niemand vor raufzugehen, um nachzusehen, ob da irgendwas im Zimmer ist?” fragte Jeannie erregt.
Matt hob beschwörend die Hände. “Ich werde sofort nachsehen.”
Er ging an den Neuvermählten vorbei die Treppe hinauf. Als er den ersten Absatz erreicht hatte, hörte er Roger wütend brummen: “Du lieber Himmel,
Geister!
Du bist eine Exhibitionistin, das ist alles. Du warst schon immer scharf auf Matt Stone, weißt du, Jeannie. Hast du endlich die passende Ausrede gefunden, um dich nackt vor ihm zu zeigen?”
“Roger Thomas! Wie kannst du es wagen, so etwas zu behaupten, du Mistkerl!” flüsterte sie empört. Dann rief sie mit lauter Stimme: “Sie brauchen Ihre Sachen nicht zu holen, Matt, wir ziehen nicht um. Ich fahre nach Hause, und zwar auf der Stelle. Nach Hause zu meiner Familie! Da behandelt mich wenigstens niemand so, als ob ich den Verstand verloren hätte.”
“He, he, immer mit der Ruhe!” protestierte Penny gelassen. “Hören Sie, wir sind wirklich alle müde, aber wir werden der Angelegenheit auf den Grund gehen. Matt ist ein durch und durch pragmatischer Mensch und glaubt eben nicht an Geister, aber Sie sollten mit Ihrer Frau trotzdem nicht so hart sein, Roger. Es gibt nämlich jede Menge Leute, die fest davon überzeugt sind, dass es hier mehr als nur ein bisschen spukt, glauben Sie mir.”
Matt betrat
Weitere Kostenlose Bücher