Das Geheimnis von Melody House
gewöhnt, mitten in der Nacht geweckt zu werden. Deshalb hatte er jetzt innerhalb von Sekunden seine Jeans an und lief im Eilschritt über den breiten Rasen, der zwischen dem Wirtschaftsgebäude, einem jüngst komplett saniertem Cottage, und dem Haupthaus lag. Kaum zwei Minuten, nachdem der Schrei ertönt war, schloss er die Tür auf.
Im Foyer brannte wie immer eine kleine Lampe, genau wie auf der Veranda. Trotzdem war er auf alles vorbereitet, als er das Haus betrat.
Das glaubte er zumindest, bis er die Gestalt sah, die splitternackt und schreiend vor ihm stand. Jeannie war eine hübsche Frau, mit einem perfekten, wohl modellierten Körper. Matt zwang er sich, seinen Blick von ihr loszureißen und sich nach einer bislang verborgenen Gefahr umzuschauen. Da er jedoch nichts entdecken konnte, wandte er sich erneut der jungen Ehefrau zu.
“Jeannie?” fragte er behutsam mit tiefer beruhigender Stimme. Unter normalen Umständen wäre er jetzt auf sie zu gegangen. Er hätte ihr einen Arm um die Schultern gelegt und geduldig herauszufinden versucht, was ihre Panik verursacht hatte. Aber unter diesen Umständen entschied er sich dagegen “Jeannie, bitte, sagen Sie doch etwas. Was ist denn …?”
In diesem Moment kam auch Roger verschlafen die Treppe hinuntergetappt. Als sein Blick auf seine Frau fiel, wurde er schlagartig hellwach.
“Jeannie!” schrie Roger erschrocken.
Matt durchquerte mit langen Schritten das Foyer und betrat einen kleinen, durch eine Kordel abgetrennten Salon, wo er ein Plaid von einem zierlichen antiken Sofa riss. Damit kehrte er eilig zu Jeannie zurück und legte es ihr um die Schultern. Obwohl die junge Frau mittlerweile aufgehört hatte zu schreien, wirkte sie völlig verängstigt und zitterte am ganzen Körper.
Roger, der sich immer noch nicht gefasst hatte, bedankte sich flüchtig und schaute dann wieder auf seine Frau, die mit dem Rücken zu ihm stand.
“Du lieber Himmel, Jeannie, was ist denn passiert?”
Jetzt endlich drehte sie sich zu ihm um und blickte ihn erst verständnislos und dann angespannt an. “Hast du es nicht gesehen? Hast du nichts gespürt?”
“Jeannie, bitte, ich habe geschlafen. Wovon redest du?”
In diesem Moment betrat Penny Sawyer, das grauschwarze Haar vom Schlaf zerzaust und eingehüllt in einen Frotteebademantel, das Foyer.
“Was in aller Welt ist denn hier los?” fragte sie perplex.
Penny war Haushälterin, Verwalterin und Buchhalterin in einer Person. Außerdem führte sie die Besichtigungstouren durch. Sie hatte schon für Matts Großvater gearbeitet und hing wahrscheinlich noch mehr an dem Haus als Matt selbst. Für Matt war sie nicht nur unverzichtbar, sondern zudem so etwas wie die gute Seele des Anwesens.
Nur in einer einzigen Frage würden sie sich wahrscheinlich nie einigen. Missmutig knirschte Matt mit den Zähnen. Er wusste genau, was Penny über diesen Zwischenfall denken würde.
“Es spricht alles dafür, dass unsere Braut einen Albtraum hatte”, erklärte Matt ruhig.
“Albtraum!” kreischte Jeannie, dann zwang sie sich jedoch, etwas ruhiger fortzufahren: “Ich
habe
nicht geschlafen.”
“Und was genau war das Problem?” fragte Roger leicht gereizt.
“Ich glaube, ich hole besser erst mal eine kleine Stärkung”, schlug Penny vor.
“Aber vorher sollte sich Jeannie etwas anziehen”, warf Roger jetzt hörbar unwillig ein.
“Etwas anziehen?” fragte Jeannie, wobei ihr offensichtlich erst in diesem Moment bewusst wurde, dass nur das Plaid ihren Körper bedeckte.
“Ich mache Tee mit einem kräftigen Schuss Whiskey”, erklärte Penny entschieden.
“Und inzwischen kannst du raufgehen und dir was überziehen, Jeannie. Und dann erzählst du uns, was in dich gefahren ist”, sagte Roger, immer noch mit einem Hauch Gereiztheit in der Stimme.
“Was in mich gefahren ist?” wiederholte Jeannie mit vorwurfsvoll gerunzelter Stirn. “Hör zu, Roger Thomas, ich habe mich eben zu Tode erschreckt, begreifst du das nicht?”
“So sehr erschreckt, dass du mitten in der Nacht splitternackt durch die Gegend läufst?”
Matt musste sich ein lautes Aufstöhnen verkneifen. Er hätte sich nicht breitschlagen lassen sollen, das Lee-Zimmer zu vermieten. Er warf Penny einen finsteren Blick zu. Wenn sie ihn nicht ständig daran erinnern würde, dass sie jede Einnahmequelle für Melody House nutzen müssten, hätte er es sicher auch nicht getan.
Penny zuckte mit den Schultern, wobei sie Matt einen ihrer wissenden Blicke zuwarf.
Die
Weitere Kostenlose Bücher