Das Geheimnis von Melody House
ihn bekniete, eine Séance abhalten zu dürfen.
Matt wehrte sich, so gut er konnte. Er flehte sie an, ihn mit diesem Blödsinn in Ruhe zu lassen, besonders jetzt, wo er bis über beide Ohren in Arbeit steckte.
Penny wollte schon nachgeben und sich mit ihren wöchentlichen Führungen begnügen, als dieser Brief von Adam Harrison von Harrison Investigations kam.
Vier Wochen später blieb Clara Issy, eine der fünf Angestellten, die Matt in Melody House beschäftigte, abrupt stehen.
Es war ein sonniger Morgen. Das schöne, antik eingerichtete Schlafzimmer sah genauso aus wie immer. Das Bett mit seinen vier glänzenden Pfosten und der Patchwork-Tagesdecke, die Clara gerade darüber gebreitet hatte, stand mit dem Kopfteil an der Wand. Die elektronischen Geräte in dem auf Hochglanz polierten Mahagonisekretär verliehen dem Möbelstück einen modernen Anstrich. Der Fernseher war ausgeschaltet. Weil es ein sonniger Tag war, standen die großen Flügeltüren, die auf einen rund um das Haus herumführenden Balkon führten, offen, und die weißen Vorhänge wehten leicht im Wind. Daran war nichts Ungewöhnliches, und Clara liebte diese lichtdurchflutete, samtene Atmosphäre des Sommers. Nein, mit dem Raum selbst war alles so wie immer.
Trotzdem stand sie wie erstarrt neben der geöffneten Balkontür und starrte auf einen Punkt.
Obwohl außer ihr niemand im Zimmer war, bewegte sich etwas. Etwas, das vom Bett wegdriftete. Etwas, das seine Form veränderte, etwas Kaltes, das etwas ausgesprochen Bedrohliches hatte.
Es näherte sich Clara. Sie spürte, dass es ihr Gesicht berührte, es war fast so, als ob Finger über ihre Wange strichen. Eiskalte Finger. Totenfinger. Sie glaubte ein Flüstern zu hören. Heiser, ganz nah an ihrem Ohr. Etwas, das flehte … oder drohte.
Ihre Hände umklammerten den Besenstiel so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Ihr Körper fühlte sich an wie ein Eiszapfen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Die Kälte … sie hüllte sie ein. Undurchdringlich. Und noch undurchdringlicher.
Endlich machte sie ihren Mund wieder zu. Fest. Doch dann riss sie ihn erneut auf und versuchte zu schreien, aber alles, was herauskam, war ein kaum hörbares Ächzen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Schließlich fand sie die Kraft und rannte aus dem Zimmer.
Auf dem Flur im ersten Stock war niemand. Clara raste wie der Blitz nach unten ins große Foyer, aber auch dort war niemand. Deshalb rannte sie auf den zweiten Flur rechts neben der Wendeltreppe. Bestimmt arbeitete jemand in einem der beiden Büros, und wenn es auch nur Penny war – eine kleine Bastion gegen das Böse war immer noch besser als gar keine.
Als eine Sekunde später Claras Blick auf Matt fiel, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Gott sei Dank, Matt! Er stand schon im Arbeitsanzug auf der Schwelle zu seinem Büro, hatte das Haus aber zum Glück noch nicht verlassen.
Mit schnellen Schritten kam er auf sie zu. “Clara! Um Himmels willen, was ist denn los?”
Sie war fünfundfünfzig. Zwei Jahrzehnte älter als er, mindestens. Aber Matt war Matt – solide wie ein Fels. Ein hoch gewachsener Mann im besten Alter, mit einer respektgebietenden Art, die ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelte und es ihr erlaubte, einen Ton herauszubringen, obwohl ihre Lippen sich vor Angst immer noch ganz starr anfühlten.
“Ich … ich kündige”, keuchte sie.
“Clara, was um alles in der Welt ist passiert?” fragte er ruhig und fasste sie an den Schultern, damit sie seinem Blick nicht ausweichen konnte.
“Ich sage es Ihnen, diese Braut war nicht verrückt. In dem Zimmer ist wirklich ein Geist!”
“Oh, Clara, bitte! Wir kennen beide die Märchen, die man sich über dieses Haus erzählt. Wir haben sie praktisch mit der Muttermilch eingesogen. Aber ich bitte Sie, wir leben doch trotzdem seit Jahren relativ unbehelligt hier, oder etwa nicht? Ernsthaft, auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, aber ich betone es noch mal: Es gibt keine Geister. Ende der Durchsage. Manchmal wollen die Leute, dass es sie gibt. Penny wünscht sich brennend ein paar Gespenster, damit noch mehr Touristen ihr Geld bei uns lassen. Heutzutage reicht es offenbar nicht aus, wenn ein Haus eine historische Sehenswürdigkeit ist, nein, da muss es gleich spuken.”
“Aber da
ist
ein Geist im Lee-Zimmer, ich schwöre es Ihnen. Er hat mich sogar angefasst.” Clara hatte sich inzwischen etwas gefasst und stemmte die Hände in die Hüften. “Wie lange
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