Das Geheimnis von Melody House
unterdessen das Lee-Zimmer. Ganz wie erwartet, fand er dort absolut nichts Außergewöhnliches. Die Balkontüren standen offen, und die Vorhänge bauschten sich im Wind. Das war es wahrscheinlich gewesen, was der jungen Frau einen Schrecken eingejagt hat. Vielleicht hatte sie auch einfach eine blühende Fantasie. Sie redete sich so lange ein, dass es hier spukte, bis sie es am Ende wirklich geglaubt hat.
Sein Blick fiel auf Jeannies Negligee, das ihm allerdings zu durchsichtig erschien, um es mit nach unten zu nehmen. Ihr Mann würde nicht glücklich darüber sein, so viel war sicher. Deshalb ging er zum Schrank, in dem zwei schneeweiße flauschige Bademäntel mit eingesticktem Monogramm hingen – eine Anschaffung, auf der Penny bestanden hatte, damit den wenigen Gästen, an die er das Zimmer vermietete, zumindest einen Hauch von echtem Luxus geboten wurde. Er nahm einen Bademantel vom Bügel und eilte damit nach unten.
Penny, Jeannie und Roger waren mittlerweile in die Küche gegangen. Durch den alten Holzkohleherd, die antiken Pfannen und Töpfe aus Kupfer sowie die Kräutertöpfe auf den Gesimsen wirkte sie anheimelnd altmodisch. Der große Kühlschrank aber war ebenso modern wie die Gefriertruhe und der blitzblanke Herd aus Edelstahl – Einrichtungsgegenstände, die zur Ausrichtung der vielfältigen gesellschaftlichen Ereignisse, die hier stattfanden, von Wohltätigkeitsveranstaltungen bis Galadinners, unerlässlich waren.
Penny hatte mit dem frisch gebackenen Brautpaar am Tisch Platz genommen. Offenbar hatte sie den Tee in Windeseile zubereitet, denn als Matt in die Küche kam, nippten sie bereits alle an den großen Steingutbechern.
Aber die drei waren nicht mehr allein. In der Zwischenzeit hatten sich die übrigen Bewohner von Melody House zu ihnen gesellt, die wahrscheinlich von dem Geschrei aufgewacht waren. Ebenfalls mit am Tisch saß Matts Cousin Clint, der eines der Apartments über den Stallungen bewohnte. Als Matt Clints Blick begegnete, sah er in den Augen seines Cousins ein belustigtes Glitzern. Und auch Sam Arden, der Hausmeister – alt, hager und barsch, mit wirrem weißem Haar – war mit von der Partie. Zu guter Letzt war da noch Carter Sutton, ein alter Collegefreund von Clint, der eigentlich im Nachbarort wohnte. Ihm gehörten eine Menge Grundstücke in der Gegend, und er hatte sich erst kürzlich in der Nähe ein Haus gebaut. Da die Handwerker es aber immer noch besetzt hielten, wohnte er ebenfalls in einem Apartment über den Stallungen. Dieses Arrangement nutzte allen, weil der von seinen Zinserträgen lebende Carter, der gelegentlich zwar “reich an Papieren, aber knapp an Bargeld” war, wie er selbst sagte, sich freute, gegen Unterkunft und Verpflegung hin und wieder den Stallburschen oder Fremdenführer in Melody House geben zu können.
Matt reichte Jeannie wortlos den Bademantel und setzte sich dann an die Stirnseite des Tisches. Penny war gerade sichtlich beglückt dabei, ihre einschlägigen Kenntnisse der Geisterwelt vor den Versammelten auszubreiten, während Roger seine Frau immer noch davon zu überzeugen versuchte, dass da außer der Aufregung des Tages nichts gewesen war.
“Und falls da wirklich ein Geist war, hatte er wahrscheinlich mehr Angst als Sie”, versicherte Clint der Braut.
“Himmel, da sind wirklich Gespenster.” Sam nickte weise mit seinem alten Kopf.
“Bitte, Sam”, protestierte Matt.
“Es wollte mir etwas antun”, behauptete Jeannie.
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass Geister Menschen etwas antun”, wandte Carter ein. Sein Schnauzbart zuckte unter dem nur mühsam verkniffenen Grinsen.
“Er wollte es aber”, wiederholte Jeannie hartnäckig.
“Ich habe auch schon in diesem Zimmer geschlafen”, mischte sich Clint ein, “aber mir ist nichts passiert, ehrlich.”
“Ich kenne das Lee-Zimmer aus mehr als einer Nacht und habe nur die allerangenehmsten Erinnerungen daran”, versicherte Carter der Braut mit einem Augenzwinkern.
Sie wurde rot und lachte verlegen.
“Matt, ich habe Ihnen auch Tee eingeschenkt”, sagte Penny. “Nehmen Sie.”
“Danke. Ich trinke ihn später. Ich will vorher nur noch rasch meine Sachen rüberholen.” Er wandte sich dem Brautpaar zu. “Damit Sie gleich umziehen können.”
“Hören Sie, Mr. Stone, es ist mir wirklich peinlich, und ich … ich möchte Ihnen nicht noch mehr Unannehmlichkeiten machen”, sagte Roger.
“Ich werde aber in diesem Haus kein Auge mehr zubekommen”, jammerte Jeannie.
“Es
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