Das Geheimnis von Melody House
wartete, bis sie ihn eingeholt hatte. Er bemerkte, dass sie sich suchend nach seinem Auto umschaute.
“Oh, Verzeihung”, sagte er schroff. “Der da drüben ist es. Ich schätze, man hat vergessen, es Ihnen zu erzählen. Ich bin der Sheriff. Und Adam hat es offenbar auch nicht erwähnt. Da Sie andererseits aber vorgeben, eine Hellseherin zu sein, hätten Sie es eigentlich auch so wissen müssen.” Er schaute sie leicht spöttisch an.
Sie lächelte zuckersüß. “Mr. Stone, als Hellseherin würde ich mich nicht direkt bezeichnen, auch wenn ich bekannt dafür bin, gelegentlich Leichen aufzuspüren, die manche Leute in ihrem Keller haben.”
Schweigend sah er sie an. Seine Augen waren dunkel, aber nicht braun, sondern von einem irritierenden Dunkelgrau. Er schien direkt durch sie hindurchschauen zu können, und doch lag ein schützender Schleier über ihnen, der es Darcy unmöglich machte, in ihnen zu lesen. Und dennoch, zumindest für einen Moment hatte es ihm offenbar die Sprache verschlagen.
“Fahren wir?” fragte sie.
“Aber ja. Ich sterbe schon vor Neugier, was für Leichen Sie in meinem Keller finden, Ms. Tremayne.”
“Hervorragend. Dann …”
“Was dann?”
“Dann sind wir uns ja einig. Aber ich warne Sie: Manchmal gefällt es den Leuten ganz und gar nicht, was wir bei ihnen finden.”
3. KAPITEL
“F ür mich ist es schlicht eins der unglaublichsten Häuser – und eine historische Sehenswürdigkeit ersten Ranges!” schwärmte Penny.
Darcy lächelte, geneigt, zuzustimmen – trotz der Schwierigkeit, die das Haus in Gestalt seines Eigentümers mit sich brachte.
Er hatte sich während der Fahrt bemüht, so etwas wie eine höfliche Konversation zu führen, indem er ihr erklärte, wo im Bürgerkrieg die Frontlinien verlaufen waren. Außerdem hatte er ihr erzählt, dass der berühmte Südstaatengeneral Robert E. Lee in Melody House Station gemacht hatte. Und nachdem sie an ihrem Ziel angekommen waren, hatte er sie zwar nicht direkt aus dem Auto geworfen, aber doch zugesehen, dass er sie so schnell wie möglich loswurde, da er, wie er sagte, noch zu tun habe.
Darcy fragte sich, ob er im Wayside Inn auch im Dienst gewesen war.
Penny Sawyer hingegen war wundervoll. Ihr Alter ließ sich schwer schätzen, irgendwas zwischen vierzig und sechzig, mutmaßte Darcy. Sie war mittelgroß, schlank, mit kurz geschnittenen dunklen, von silbergrauen Strähnen durchzogenen Haaren und strahlend blauen Augen. Sie trug einen modischen Hosenanzug und war ebenso freundlich wie ihr Arbeitgeber unfreundlich.
“Das Haus ist wirklich wundervoll”, beteuerte Darcy begeistert. “Es gibt eine ganze Reihe historisch bedeutsamer Häuser, die – meistens von Privatstiftungen – mit größter Sorgfalt restauriert wurden, aber es ist schon erstaunlich, wie gut erhalten dieses Haus hier ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass es die ganze Zeit über in Familienbesitz war. Normalerweise fehlt in solchen Fällen das Geld für die aufwendige Instandhaltung.” Darcy musterte ihre Umgebung mit anerkenndendem Blick.
“Nun, Matts Großvater hat sehr an dem Anwesen gehangen. Es war sein Baby. Er wollte es trotz der Kosten weiterhin als Zuhause für die Familie erhalten. Er war wirklich ein erstaunlicher alter Herr.”
“Offensichtlich.”
Penny lächelte sie seltsam zerknirscht an. “Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht: Matt liegt es genauso am Herzen. Und deshalb will er auch nicht, dass sich ein Verein darum kümmert. Also muss es sich auf längere Sicht weit gehend selbst tragen, denn so ein Sheriff verdient schließlich nicht die Welt. Oh! Verstehen Sie mich nicht falsch. Matt ist absolut integer. Er würde nie etwas Ungesetzliches tun, um das Haus zu retten, auch wenn er es noch so sehr liebt. Aber das haben Sie natürlich auch gar nicht gedacht!” Penny unterbrach sich mit einem Auflachen. “Er ist ein wunderbarer Sheriff. Die Leute lieben ihn. Er schafft es fast immer, brenzlige Situationen zu entschärfen, und er hat ein Händchen für die jungen Leute … aber was wollte ich jetzt eigentlich sagen? Ach so, ich meinte nur, dass wir auf die Führungen und Veranstaltungen angewiesen sind, damit ein bisschen Geld reinkommt. Das ist alles. So! Und was denken Sie? Spukt es hier?”
Darcy lächelte wieder. “Bis jetzt spüre ich eigentlich fast nur Wärme. Als ob das, was von der weit zurückliegenden Vergangenheit zurückgeblieben ist, vorwiegend gutartig wäre. Allerdings ist da auch
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