Das Geheimnis von Melody House
Blicke für einen Moment begegneten, erkannte Darcy die flehentliche Bitte in den Augen der Frau.
Hilf mir!
riefen sie.
Hier war ein Mensch, der versuchte, dem Tod zu entrinnen. Kaum eine Sekunde später flog die Schlafzimmertür auf. Darcy sah eine große schwarze Gestalt den Raum betreten. Sie ging auf die Frau zu, und eine Sekunde später blitzte eine Messerklinge auf, so klar und deutlich, als ob sie vom Strahl einer Taschenlampe erfasst worden wäre.
Wieder ertönte der Schrei … grauenhafter noch als zuvor.
Das Messer …
Die Klinge näherte sich Darcy gefährlich.
Sie war nicht leicht zu erschrecken. Immerhin war sie daran gewöhnt, mit den Toten in Verbindung zu treten. Doch in dieser Nacht …
Das Böse war fast mit Händen zu greifen, die Gefahr schien so real. Das Messer … bedrohte sie, das spürte sie genau.
Darcy ermahnte sich zur Ruhe. Sie hatte lediglich ein Bild aus der Vergangenheit vor sich. In Wirklichkeit war da kein Messer, das eine schattenhafte Gestalt gegen sie richtete. Was sie sah, war nur eine Episode, die sich in längst vergangenen Zeiten abgespielt hatte.
Aber das Messer kam eindeutig weiter auf sie zu, glitzernd und … tropfend.
Es tropfte von Blut.
Von ihrer Angst übermannt sprang Darcy aus dem Bett, und jetzt war sie selbst diejenige, die schrie. Das Bild verblasste nicht. Was sie vor sich hatte, war keine unerlöste Seele, sondern das nackte Böse. Todesangst, älter und elementarer als jede andere menschliche Emotion, erfasste sie, und wie von wilden Furien gehetzt rannte sie an der Erscheinung vorbei auf den Flur.
Als sie den ersten Treppenabsatz erreicht hatte, hörte sie hinter sich jemanden ihren Namen rufen. Ruckartig blieb Darcy stehen. Langsam begann ihr Verstand wieder zu arbeiten.
Und dann hätte sie sich am liebsten selbst einen Tritt gegeben.
Matt Stone kam in offenem Bademantel und Boxershorts hinter ihr die Treppe hinuntergestürmt und rief nach ihr.
Unten wurde sie bereits von Penny im Schlafanzug und mit zerzausten Haaren erwartet.
Auch Carter und Clint ließen nicht lange auf sich warten.
Für Darcy hatte die Tatsache, dass sich alle so plötzlich am Fuß der Treppe versammelten, etwas Unheimliches. Sie empfand es fast so bizarr wie ihren Traum – oder die Wirklichkeit, die sie soeben erlebt hatte. Aus allen Himmelsrichtungen strömten sie in das Foyer, erschrocken zunächst, und als sie merkten, dass ihr nichts fehlte, erstaunt oder verärgert.
Matt Stone musterte sie mit einem harten, argwöhnischen Blick.
“Haben die Geister Sie aus dem Zimmer gescheucht?” fragte er mit einem leicht verächtlichen Unterton in der Stimme. “Dabei dachte ich, dass
Sie
die Geister jagen und nicht umgekehrt.”
Sie schaute Matt an. “Es tut mir Leid. Ich muss einen Albtraum gehabt haben.”
“Aha, ich hätte nicht gedacht, dass Albträume schlimmer sein können als Gespenster”, brummte Matt.
“Sie haben die Frau in Weiß gesehen”, sagte Penny.
“Nein”, sagte Darcy entschieden. “Ich habe wirklich nur schlecht geträumt. Ich gehe jetzt wohl besser zurück in mein Zimmer.”
Doch Matt schien sie nicht zu hören. Er eilte den Flur zurück und stieß die nur angelehnte Tür des Lee-Zimmers auf. Mit Carter und Clint im Schlepptau betrat er den Raum. Finster entschlossen riss Matt die Schranktür auf und fegte die Bügel mit Darcys Kleidungsstücken rücksichtslos beiseite, ohne zu wissen, wonach er suchte. Als er nichts fand, schaute er unters Bett, dann ging er zur Balkontür und riss sie ebenfalls auf. Er trat auf den Balkon, spähte in die Nacht und kam wenig später mit über der Brust verschränkten Armen ins Zimmer zurück. Grimmig sah er Darcy an.
“Was genau haben Sie gesehen?”
“Nichts”, log sie. “Ich hatte nur einen Traum, das ist alles. Es tut mir Leid, wirklich. Es tut mir wirklich schrecklich Leid.”
“Ich glaube nicht, dass Sie weiter in diesem Zimmer schlafen sollten.”
Sie spürte, dass ihre Angst zurückkehrte, aber sie gab ihr nicht nach.
“Das muss ich aber.”
“Warum? Sie können Ihrer Arbeit auch tagsüber hier nachgehen.”
Darcy schüttelte den Kopf. “Hören Sie, ich sage es noch einmal, es tut mir wirklich sehr Leid. Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich.”
“Ich bestehe aber darauf, dass Sie umziehen”, beharrte Matt.
“Hören Sie, ich bin aus einem Albtraum aufgeschreckt, das ist alles. Und für meine Nachforschungen ist es unerlässlich, dass ich hier bleibe. Lassen Sie es mich
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