Das Geheimnis von Melody House
“Ich meine, vielleicht ist es ja ein Geist, der nicht erkannt werden will, und jetzt wird er noch aggressiver, weil er Angst vor Ihnen hat.”
“Was meinst du damit?” fragte Carter mit gerunzelter Stirn.
“Geister zeigen sich nur, weil sie erkannt werden wollen”, mischte sich überraschenderweise Sam Arden ein. “Wie Serienmörder. Sie geben der Polizei immer wieder Hinweise, weil sie irgendwo in ihrem Unterbewusstsein geschnappt werden wollen.”
Auf diesen Satz folgte unbehagliches Schweigen, das Clint mit dem Entkorken einer Flasche Champagner unterbrach. “Auf Darcys Erfolg”, toastete er. Die Runde stieß miteinander an, und kurz darauf ging Darcy – gefolgt von Clint – mit ihrem Glas auf die Veranda.
“Wissen Sie”, sagte er leise, “er benimmt sich bloß so unmöglich, weil er Angst hat.”
“Was? Wer?”
“Matt. Er hat Angst.”
“Das verstehe ich nicht. Sie glauben, Matt hat wirklich Angst vor Geistern?”
Clint lachte laut auf. “Matt und Angst vor Geistern? Niemals. Er hat ja nicht mal vor irgendwelchen Verrückten Angst, die mit Messern und Pistolen auf ihn losgehen. Nein, Sie sind es, vor der er sich fürchtet.”
“Warum sollte er sich denn vor mir fürchten?”
Clint hatte sich zu ihr an die Brüstung gesellt. Er war groß, schlank, charmant und unverschämt gut aussehend. Sie fragte sich, warum sie sich nicht zu ihm hingezogen fühlen konnte, nicht so, jedenfalls …
Er streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
“Weil er Sie mag – und respektiert. Aber er wehrt sich dagegen. Weil Sie eine schöne Rothaarige sind.”
Darüber musste sie lächeln. “So ein Unsinn.”
Clint schüttelte den Kopf. “Seine Frau war ein ziemliches Biest, wirklich. Am Anfang war sie verrückt nach ihm, aber dann fing sie an, mehr und mehr an ihm zu zerren, versuchte, ihn eifersüchtig zu machen, aber da war sie bei Matt an den Falschen geraten. Es bewirkte bei ihm das genaue Gegenteil. Sie hatte schon so ihre Eigenheiten, deshalb … na ja, und als die Ehe in die Brüche ging, war ihm so ziemlich der Appetit vergangen.”
“Was rothaarige Frauen betrifft.”
“Bestimmte Rothaarige jedenfalls.”
“Aha, welche denn?”
“Die kühlen, glatten, kultivierten. Solche wie Sie.” Clint sah sie eindringlich an. “Deshalb sollten Sie ihn schleunigst vergessen und Ihr Augenmerk auf mich richten. Es wird nicht lange dauern, bis Sie merken, was für ein unwiderstehlicher Bursche ich bin.”
Darcy lachte. “Das ist mir nicht entgangen.”
“Und trotzdem sind Sie nicht an mir interessiert. Noch nicht … aber falls Sie Ihre Meinung ändern sollten, sagen Sie mir Bescheid, ich bin sofort zur Stelle und bereit, Sie jederzeit zu beschützen.”
“Ich brauche hoffentlich keinen Beschützer.”
“Treten Sie meinen Heldenmut nicht mit Füßen!”
“Na schön, wenn ich jemanden brauche, werde ich mich gern an Sie wenden, wie finden Sie das?”
“Zu wenig, aber besser als nichts!” sagte Clint grinsend und legte ihr kameradschaftlich einen Arm um die Schultern, während er mit ihr zurück ins Haus ging.
Als sie wieder im Esszimmer waren, hatte Penny Tee und Scones aufgetragen, aber Darcy war so müde, dass sie sich schnell entschuldigte und auf ihr Zimmer ging. Trotz der sommerlichen Temperaturen draußen war es dort kalt wie in einer Gruft. Darcy öffnete die Balkontür und war sich sicher, dass von außen nichts Böses hereinkam.
Was immer es auch sein mochte, was sie beobachtete, es war innerhalb des Hauses. Irgendetwas im Raum wartete auf sie.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Darcy endlich einschlief und erneut in diesen Traum verfiel. Sie kannte ihn bereits. Beim ersten Mal war sie ein Mann gewesen, der das Haus betrat.
In dieser Nacht schlüpfte sie in die Haut der Frau, die auf ihren Verfolger wartete.
Sie verspürte an diesem Abend kein Gefühl von großer Angst oder besonderer Dringlichkeit. Eigentlich war sie nur wütend, entschlossen zu kämpfen, sich zu wehren, ihre Meinung zu sagen – und ihr Leben zu ändern. Sie dachte mit keinem Gedanken daran, sich ins Bett zu legen und zu schlafen
.
Sie war sich sicher, dass er heute nicht kommen würde. Das, was zwischen ihnen tobte, war zu nah, zu ungestüm, zu leidenschaftlich
.
Sie war so zornig!
In dem schummrigen Licht setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Er konnte tun und lassen, was ihm beliebte. Sie konnte ihn nicht aufhalten
.
Aber er würde dafür bezahlen
.
Sie nahm ein
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