Das Geheimnis von Mulberry Hall
verschmitzt, während er die Knöpfe seiner dicken Regenjacke öffnete. „Lucan hat nichts davon gesagt, dass er jemanden mitbringt.“ Neugierig musterte er sie. „Ich bin John Barton, der Verwalter“, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.
Seine Hände waren groß und kräftig, stellte Lexie fest. „Lexie.“ Je weniger Menschen an diesem Ort ihren Nachnamen hörten, desto besser. „Ich bin Mr St. Claires Assistentin. Vorübergehend“, setzte sie schnell hinzu.
Eine überflüssige Bemerkung.
Aber sie wollte sich selbst daran erinnern, um ihren merkwürdigen Fantasien in Bezug auf Lucan ein Ende zu machen. Seine Lippen an ihren Brüsten, also wirklich!
Hör auf damit! ermahnte sie sich energisch. Hör sofort auf damit!
Entschlossen richtete sie sich zu voller Größe auf und strahlte. „Ich koche gerade Kaffee. Aber Lucan ist draußen, falls Sie ihn sprechen wollen?“ Das offenkundige Interesse in den freundlichen blauen Augen des Verwalters war ein deutlicher Hinweis darauf, wie viel lieber er bei ihr in der Küche bleiben würde.
„Meine Frau hat mir ein paar Lebensmittel eingepackt, damit ihr hier über die Runden kommt.“ Immer noch grinsend, zeigte er auf die Kiste, und Lexie wunderte sich ein wenig über seinen vertraulichen Ton. „Milch, Brot, Butter, Käse und so weiter. Ich hätte es schon früher vorbeigebracht, aber Lucan hat nicht Bescheid gegeben, wann er kommt.“
„Das wäre ja auch ein Wunder gewesen“, murmelte Lexie mehr zu sich selbst, während sie einen genaueren Blick in die Box warf. Unter anderem fand sie dort eine ziemlich vielversprechende Glasschüssel mit etwas Selbstgekochtem, das nach leckerem Braten aussah. Mit einem dankbaren Lächeln drehte sie sich zu John Barton um. „Bitte richten Sie … bitte richte deiner Frau meinen besten Dank aus. Das ist wirklich sehr lieb.“
„Sie heißt Cathy“, sagte er fröhlich.
Früher einmal war Lexie mit einem Mädchen aus dem Dorf befreundet gewesen, das Cathy hieß. Mit achtzehn hatten sie sich auf unterschiedlichen Universitäten eingeschrieben und sich damit aus den Augen verloren. Und dann erwähnte Lexies Großmutter in einem Brief, dass Cathy im vergangenen Jahr geheiratet hätte.
Aber vermutlich handelte es sich nicht um die gleiche Cathy. Johns Frau war bestimmt wie er eine Schottin.
„Kommt ihr beide aus der Gegend?“, erkundigte Lexie sich beiläufig und räumte die Lebensmittel in den Kühlschrank ein.
„Ich kann meine schottische Herkunft wohl kaum verleugnen“, gab John amüsiert zu. „Aber Cathy kommt hier aus dem Dorf. Sie wird bestimmt morgen irgendwann mal vorbeischauen, um Hallo zu sagen.“
„Ich glaube, Lucan will nicht lange bleiben“, unterbrach sie eilig. Also war es wohl doch die Cathy von früher!
Blonde Haare, grüne Augen – Lexie sah sie im Geiste vor sich. Die beiden waren mit Sicherheit ein hübsches Paar.
„Ich habe doch schon gesagt, wir bleiben mindestens zwei Tage, Lexie!“
Sie fuhr herum und sah Lucan in der Tür stehen. Eine passende Antwort wollte ihr nicht gleich über die Lippen kommen. „John war so freundlich, uns Milch und ein paar andere Vorräte zu bringen.“
„Nur ein paar Grundnahrungsmittel“, wehrte der blonde Mann fast beschämt ab. „Tut mir leid, dass wir dich abkommandieren mussten, Lucan.“
„Kein Problem, John“, log Lucan und schüttelte dem Verwalter die Hand. „Ich wollte mit Lexie heute Abend ins Rose and Crown. Sie servieren doch noch Essen dort?“
„Johns Frau war so lieb, uns Braten einzupacken“, schaltete Lexie sich ein. Auf keinen Fall wollte sie mit Lucan im örtlichen Pub gesehen werden. Die Besitzer, Bill und Mary Collins, kannte sie immerhin persönlich.
Nur eines war unumgänglich. Sie würde Nanna Sian so bald wie möglich einen Besuch abstatten müssen, bevor die alte Dame von einem Fremden erfuhr, dass ihre Enkelin mit Lucan St. Claire auf Mulberry Hall weilte!
5. KAPITEL
„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich als Sekretärin sogar um das Abendessen kümmern willst“, bemerkte Lucan eine Stunde später, nachdem er John zur Haustür begleitet hatte.
In der Küche roch es mittlerweile köstlich nach Rahmsoße und Pilzen. Lexie hatte den Braten zwanzig Minuten zuvor in den heißen Ofen gestellt. Jetzt saß sie an einem großen Holztisch in der Küche und hielt ihre Kaffeetasse mit beiden Händen fest. „Um genau zu sein, hat Cathy Barton das Essen gekocht. Ich erhitze es nur.“
„Dennoch.“
„Ach, sei
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