Das Geheimnis von Mulberry Hall
gereicht, sie endgültig in die Flucht zu schlagen. Er signalisierte deutlich, wie weit sie Lucans persönliche Grenze überschritten hatte. Und selbstverständlich gab es da Dinge, die er nicht mit ihr teilen wollte. Nichtsdestotrotz war sie wahnsinnig neugierig darauf, den Grund für sein merkwürdiges Verhalten zu erfahren.
„Ich habe mich schon gefragt, wo du bist.“
Fast schuldbewusst fuhr Lexie herum, als Lucan sie von hinten ansprach. Gerade betrachtete sie ein Gemälde der Ahnengalerie, die vollständig im Westflügel hing. Es zeigte Alexander St. Claire, den vierzehnten Duke von Stourbridge.
Lucans Vater und ihr geliebter Grandpa Alex.
Im direkten Vergleich merkte sie, wie ähnlich Vater und Sohn einander waren, zumindest was das Aussehen betraf.
Das Gemälde hatte man angefertigt, als Alexander etwa in Lucans Alter war. Das Haar tiefschwarz und noch nicht stahlgrau, so wie Lexie es an Grandpa Alex kannte, und die Gesichtszüge klar, aristokratisch und von klassischer Schönheit.
Angestrengt setzte sie ein Lächeln auf. „Hast du geglaubt, ich reise doch schon heute Morgen ab?“
Dieser Gedanke war Lucan tatsächlich gekommen, als er die Treppe herunterstieg. Auf dem Weg in die Küche war ihm frischer Kaffeeduft in die Nase gestiegen, und er fand benutztes Frühstücksgeschirr vor. Doch von Lexie keine Spur. Es war purer Zufall, dass seine Schritte ihn schließlich in den Westflügel geführt hatten, um sich widerwillig noch einmal den entstandenen Schaden anzusehen.
An diesem Tag trug Lexie ihre Haare offen, und sie hingen ihr wellig bis tief in den Rücken. Ein hinreißender Kontrast zu ihrem knallroten Oberteil, das sie mit ausgewaschenen Jeans kombiniert hatte. Jeans, die ihren knackigen Po reizvoll in Szene setzten!
„Dein Vater?“
Lucan spannte den Kiefer an und riss den Blick von Lexies süßem Hintern los, um festzustellen, dass das verhasste Gemälde vom Wasser verschont worden war.
„Ja“, bestätigte er knapp.
Sie nickte. „Ihr seht euch sehr ähnlich.“
„Nur äußerlich, das kann ich dir versichern.“
Fragend sah Lexie ihn an. „Klingt nicht gerade danach, als hättest du ihn wirklich gemocht.“
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er das vierzig Jahre alte Bildnis seines Vaters. Es hätte fast – nur fast – eines von ihm selbst sein können!
„Ich kannte ihn nicht gut genug, um ihn zu mögen oder nicht zu mögen“, murmelte er.
„Aber ich …“
„Können wir bitte über etwas anderes reden, Lexie?“ Entschlossen wandte Lucan seinem Vater den Rücken zu. „Hast du gut geschlafen?“
Um ehrlich zu sein, hatte Lexie eine grauenhafte Nacht verbracht. Teilweise, weil ihr immer bewusster wurde, wie riskant ihr Aufenthalt in dieser Gegend war. Jederzeit konnte sie von einem Dorfbewohner erkannt werden, zum Beispiel von Cathy Barton, wenn diese Mullberry Hall einen Besuch abstattete.
Doch eigentlich hatte der Zwischenfall mit Lucan ihr den Schlaf geraubt. Zwischenfall? Nein, es war viel mehr als nur das.
Niemals zuvor hatte sie so gierig und willenlos auf den Kuss eines Mannes reagiert. Doch am Vorabend mit Lucan hatte das Verlangen sie einfach überwältigt, und alles andere war ihr plötzlich gleichgültig. Wer sie selbst war, wer Lucan war und auch die wahre Identität ihrer Großmutter.
Erst später im Bett wurde Lexie klar, wie gefährlich es für sie werden konnte, sich so gehen zu lassen. Sie dachte an Lucans warme Lippen, an seine sinnlichen Berührungen, und die Sehnsucht danach flammte erneut auf. Trotzdem meldete sich auch ihr schlechtes Gewissen und sorgte dafür, dass sie sich in einer aussichtslosen Zwickmühle wiederfand. Sie schaffte es nicht, sich den Wunsch aus dem Kopf zu schlagen, mit Lucan zu schlafen. Zur Hölle mit den Konsequenzen! Er würde sie in dem Moment hassen, wenn er erfuhr, wer ihre Großmutter war! Ließ sich das auf Dauer verhindern?
Ratlos musterte sie Lucan von der Seite. Mittlerweile wusste Lexie, wie seine verhärteten Gesichtszüge weicher wurden, sobald er erregt war. Dann verwandelten sich seine Augen in Schmelztiegel, die Lexie in ihren erotischen, verbotenen Abgrund zogen. Und selbst jetzt wurde ihr ganz heiß, während sie beobachtete, wie sich Lucans muskulöse Beine durch den Stoff seiner Hose abzeichneten, wie seine kräftigen Hände sich öffneten und schlossen und wie er seine breiten Schultern spannte …
„Die erste Nacht in einem fremden Bett schlafe ich nie besonders gut“, erklärte
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