Das Geheimnis von Orcas Island
ließ die Schlüssel in seine Brusttasche fallen. »Ist sonst noch etwas?«
»Ich werde es Sie wissen lassen.« Sie stand auf, trug ihren Teller zur Spüle und marschierte hinaus.
»Was ist bloß in sie gefahren?« wollte Dolores wissen. »Sie sieht aus, als würde sie am liebsten jemandem den Kopf abreißen.«
»Sie hat nur nicht gut geschlafen.« Besorgter, als sie sich anmerken lassen wollte, stellte Mae die Rührschüssel nieder. Weil sie sich wie die Mutter eines schlecht erzogenen Kindes fühlte, trug sie die Kaffeekanne zu Ronald und schenkte ihm eine zweite Tasse ein. »Charity ist heute Morgen nicht ganz auf der Höhe. Sie ist überarbeitet.«
»Ich habe ein dickes Fell.« Doch es hatte ihn getroffen. »Vielleicht sollte sie mehr Arbeit an andere übertragen.«
»Das Mädchen? Ha!« Erfreut, dass er sich nicht beklagte, wurde Mae mitteilsamer. »Das liegt ihr nicht. Sie fühlt sich verantwortlich, wenn sich ein Gast einen Zeh stößt. Genau wie ihr Grandpa.« Sie schüttete ein Tütchen mit Vanillezucker in die Schüssel und rührte weiter. »In allem, was hier passiert, hat sie die Finger drin – außer in meiner Kocherei.« Ihr breites Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Ich habe sie aus der Küche gescheucht, als sie noch ein Kind war, und ich kann es auch heute noch, wenn es sein muss.«
»Das Mädchen kann kein Wasser kochen, ohne den Topf anzusengen«, warf Dolores ein.
»Sie könnte, wenn sie wollte«, entgegnete Mae verteidigend. »Sie hat es nicht nötig zu kochen, solange sie mich hat, und sie ist klug genug, es zu wissen. Aber alles andere trägt ihren Stempel. Sie nimmt ihre Pflichten sehr ernst.«
»Das ist eine bewundernswerte Eigenschaft«, meinte Ronald. »Sie arbeiten wohl schon sehr lange hier, oder?«
»Achtundzwanzig Jahre im kommenden Juni.« Mae deutete mit dem Kopf zu Dolores. »Sie ist acht Jahre hier.«
»Neun«, korrigierte Dolores. »Diesen Monat werden es neun.«
»Es scheint, dass die Leute hier bleiben, wenn sie hier einmal zu arbeiten angefangen haben.«
»Da haben Sie Recht«, bestätigte Mae.
»Das Gasthaus scheint wirklich loyales, hart arbeitendes Personal zu haben.«
»Charity macht es einem leicht. Sie hatte vorhin nur ein bisschen schlechte Laune.«
»Sie hat müde ausgesehen«, sagte Ronald bedächtig und ignorierte den Anflug von schlechtem Gewissen. »Vielleicht ruht sie sich heute ein wenig aus.«
»Sehr unwahrscheinlich.«
»Aber das Haushaltspersonal scheint auszureichen, und um die Buchführung kümmert sich Bob.«
»Sie wird ein Bett finden, das zu machen ist, und sie wird ihre Nase in die Bücher stecken und jede Spalte prüfen.« Stolz klang aus Maes Stimme, während sie Mehl in die Rührschüssel gab. »Nicht, dass sie ihren Angestellten nicht traut. Ihr bliebe nur das Herz stehen, wenn eine Rechnung zu spät bezahlt oder eine Bestellung vertauscht würde. Es geht darum, dass sie lieber sich selbst als jemand anderen verantwortlich macht, wenn ein Fehler unterläuft.«
»Ich nehme an, ihr entgeht nicht viel.«
»Charity wüsste, wenn eine Serviette mit einem Fleck aus der Wäsche zurückkäme«, bestätigte Mae. »Trink eine heiße Zitrone«, riet sie Dolores, als diese sich erneut schnäuzte.
»Heißen Tee mit Honig«, entgegnete Dolores.
»Zitrone. Honig verklebt die Kehle.«
»Meine Mutter hat mir immer heißen Tee mit Honig gegeben«, beharrte Dolores.
Sie stritten noch immer darüber, als Ronald aus der Küche schlüpfte.
Ronald verbrachte die meiste Zeit zurückgezogen im Westflügel. Die Arbeit half ihm nachzudenken. Obgleich er Charity einige Male vorbeikommen hörte, suchte keiner von beiden die Gesellschaft des anderen. Er konnte objektiver sein, erkannte er, wenn er nicht in ihrer Nähe war.
Maes Bemerkungen hatten seine Beobachtungen und die Informationen, die ihm gegeben worden waren, untermauert. Charity Ford führte das Gasthaus von oben bis unten. Was immer vorging, geschah direkt vor ihren Augen. Logischerweise bedeutete es, dass sie voll in die Operation verwickelt war oder vielleicht sogar leitete, die er zu zerstören gekommen war.
Und dennoch … was er am Vorabend zu Conby gesagt hatte, traf immer noch zu. Es passte nicht zusammen. Die Frau arbeitete beinahe rund um die Uhr, um mit dem Gasthof Erfolg zu haben. Er hatte sie alles tun sehen, vom Blumen umtopfen bis hin zum Schleppen von Feuerholz. Und wenn sie nicht eine erstaunliche Schauspielerin war, machte ihr alles Spaß.
Sie wirkte nicht wie der Typ,
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