Das Geheimnis von Orcas Island
er hinab auf seinen zerrissenen, blutigen Hemdsärmel. »Ein bisschen.«
»Ich kann es nicht erlauben, dass Sie Blutspuren auf dem ganzen Fußboden hinterlassen.« Sie ging zur Tür und winkte ihm zu. »Kommen Sie mit hinunter. Ich reinige Ihren Arm. Dann können Sie dem Mädchen das Frühstück bringen. Ich habe keine Zeit, den ganzen Morgen diese Treppen hinauf- und hinunterzulaufen.«
Nachdem der Arzt sein Abtasten und der Sheriff seine Befragung beendet hatten, starrte Charity zur Decke hinauf. Ihr schmerzte alles, was nur schmerzen konnte. Besonders der Kopf, aber auch ihr restlicher Körper.
Die Medizin hätte es gelindert, aber sie wollte solange einen klaren Kopf behalten, bis sie alles ergründet hatte. Deswegen hatte sie die Pille, die Dr. Mertens ihr gegeben hatte, unter der Zunge behalten, bis sie allein gelassen worden war. Sobald sie ihre Gedanken geordnet hatte, wollte sie die Tablette schlucken und ein paar Stunden lang Vergessen finden.
Sie hatte den Wagen nur sehr flüchtig gesehen, aber er war ihr vertraut erschienen. Während des Gesprächs mit dem Sheriff hatte sie sich erinnert. Das Auto gehörte Mrs. Norton, einer netten alten Dame, die Zierdeckchen und Puppenkleider für die Kunstgewerbeläden im Ort häkelte. Charity glaubte nicht, dass Mrs. Norton jemals schneller als fünfundzwanzig Meilen die Stunde gefahren war. Das war wesentlich weniger als die Geschwindigkeit, mit der das Auto an diesem Morgen auf Charity zugerast war.
Sie hatte den Fahrer nicht gesehen, nicht richtig, aber sie hatte entschieden den Eindruck, dass es ein Mann gewesen war. Mrs. Norton war seit sechs Jahren verwitwet.
Dann ist alles ganz einfach, entschied Charity. Jemand hatte getrunken, Mrs. Nortons Wagen gestohlen und mit ihm eine wilde Vergnügungsfahrt über die Insel unternommen. Wahrscheinlich hatte er sie gar nicht am Straßenrand stehen sehen.
Zufrieden setzte sie sich im Bett auf. Alles Weitere war die Sorge des Sheriffs. Sie hatte eigene Probleme.
Die Frühstückschicht würde wahrscheinlich ein Chaos werden. Aber vermutlich konnte sie sich darauf verlassen, dass Lori die anderen beruhigte. Dann war da der Fleischer. Sie musste noch die Bestellung für den nächsten Tag aufgeben. Außerdem musste sie noch die Fotos auswählen, die sie für die Annonce in der Reisebroschüre verwenden wollte. Die Anzahlung war noch nicht erfolgt, und in Haus 3 rauchte außerdem der Kamin.
Was sie brauchte, war ein Notizblock, ein Bleistift und ein Telefon. Das war einfach. Sie konnte alle drei Dinge auf ihrem Schreibtisch im Wohnzimmer finden. Vorsichtig schwang sie die Beine über die Bettkante. Gar nicht so schlecht, dachte sie, aber sie ließ sich einen Moment Zeit, bevor sie aufzustehen versuchte.
Ärgerlich mit sich selbst, stützte Charity eine Hand auf den Bettpfosten. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie mit Schlagsahne statt mit Muskeln und Knochen gefüllt.
»Was, zum Teufel, tust du da?«
Sie zuckte zusammen beim Klang von Ronalds Stimme. Dann wandte sie vorsichtig den Kopf zur Tür. »Nichts«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
»Geh zurück ins Bett.«
»Ich habe nur ein paar Dinge zu erledigen.«
Sie schwankte, und sie war so weiß wie das Nachthemd, das züchtig bis zum Hals geschlossen und verführerisch kurz war. Ohne ein weiteres Wort stellte er das Tablett ab, das er gebracht hatte, durchquerte den Raum und hob Charity auf die Arme.
»Ronald, nicht. Ich …«
»Halt den Mund.«
»Ich wollte mich gleich wieder hinlegen. Gleich nach …«
»Halt den Mund«, wiederholte Ronald. Er legte sie auf das Bett, und dann gab er auf. Die Arme um sie geschlungen, barg er das Gesicht an ihrem Hals. »Oh Himmel, Baby.«
»Es ist ja alles gut.« Sie strich mit einer Hand durch sein Haar. »Mach dir keine Sorgen.«
»Ich dachte, du wärst tot. Als ich dich fand, dachte ich, du wärst tot.«
»Oh, das tut mir Leid.« Sie massierte die Verkrampfung aus seinem Nacken, versuchte sich vorzustellen, wie er sich gefühlt haben musste. »Es muss schrecklich gewesen sein, Ronald. Aber es sind nur ein paar Prellungen und blaue Flecke. In ein paar Tagen werden sie fort sein, und wir vergessen alles.«
»Ich werde es nicht vergessen.« Er löste sich von ihr. »Nie.«
Der Jähzorn, den sie in seinen Augen sah, ließ ihr Herz flattern. »Ronald, es war ein Unfall. Sheriff Royce wird sich darum kümmern.«
Er schluckte die Worte hinunter, die er sagen wollte. Es war besser, wenn sie an einen Unfall
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