Das Geheimnis von Orcas Island
lange brauchst du?«
»Kann ich zwei Wochen haben?«
Er hatte Angst, ihr zwei Tage zu geben. Aber so ist es am besten, dachte er. Er würde sie nie halten können, wenn noch Lügen zwischen ihnen standen. »Ich gebe dir zwei Wochen, wenn du anschließend mit mir fortgehst.«
»Wohin?«
»Überlass es mir.«
»Ich liebe Überraschungen.« Sie lächelte. »Und du … du bist bisher die größte Überraschung.«
»In zwei Wochen.« Er nahm fest ihre Hände in seine. »Egal, was auch passiert.«
»Du lässt es so klingen, als müssten wir in der Zwischenzeit eine Naturkatastrophe überstehen.« Sie hauchte einen Kuss auf seine Wange und lächelte erneut. »Es wird alles gut, Ronald, für uns beide. Das ist ein weiteres Versprechen. Und jetzt möchte ich den Champagner trinken.«
Während er die Flasche aus dem Wasser holte, nahm sie die Gläser aus dem Korb. Als sie wieder zusammen auf der Decke saßen, ließ er den Korken knallen.
»Auf neue Anfänge«, sagte sie und ließ ihr Glas an seinem klirren.
Er wollte daran glauben, dass es möglich war. »Ich werde dich glücklich machen, Charity.«
»Das hast du bereits.« Sie kuschelte sich an ihn, den Kopf an seine Schulter gelegt. »Das ist das schönste Picknick, das ich je erlebt habe.«
Er küsste sie auf das Haar. »Du hast noch nichts gegessen.«
»Wer braucht schon Essen?« entgegnete sie mit einem Seufzer. Er verschränkte seine Hand mit ihrer, und gemeinsam blickten sie zum Horizont hinaus.
An der Rezeption war es am Dienstag so hektisch wie nur selten. Charity teilte Zimmer und Häuser ein, beantwortete Fragen, holte einen Keks für ein jammerndes Kleinkind und wartete, dass der Ansturm vorüberging.
Sie war die Erste, die zugab, dass sie gewöhnlich den Lärm, die Probleme und das Gedränge der Gäste brauchte, weil es den Erfolg des Gasthauses bewies. Doch nun fiel es ihr schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, da sie den Kopf voller Pläne für ihre Hochzeit hatte.
Sollte sie Chopin oder Beethoven nehmen? Würde das Wetter beständig bleiben, so dass sie die Zeremonie im Garten abhalten konnten, oder wäre es besser, eine gemütlich Feier im Gesellschaftsraum zu planen? Wann konnte sie sich endlich einen Nachmittag freinehmen, um das richtige, das perfekte Kleid zu kaufen? Etwas Knöchellanges, mit romantischem Spitzenbesatz. In Eastsound gab es eine Boutique, die sich auf Kleidung spezialisierte, wie sie ihr vorschwebte. Wenn sie doch nur …
»Wollen Sie das nicht unterschreiben?«
»Entschuldigung, Roger.« Charity schreckte aus ihren Überlegungen auf und lächelte ihn an. »Ich scheine heute Morgen nicht ganz hier zu sein.«
»Kein Problem.« Block tätschelte ihre Hand, als sie seinen Dienstplan unterzeichnete. »Frühlingsgefühle?«
»So könnte man es nennen.« Sie warf ihr Haar zurück. »Wir sind ein bisschen im Verzug. Der Computer spinnt mal wieder. Der arme Bob kämpft seit gestern damit.«
»Es sieht so aus, als hätten Sie auch einen Kampf gehabt.«
Sie schob eine Hand an die heilende Wunde an ihrer Schläfe. »Ich hatte letzte Woche einen Unfall.«
»Hoffentlich nichts Ernstes?«
»Nein, eigentlich nur unangenehm. Irgendein Idiot hat mich fast überfahren.«
»Das ist ja schrecklich.« Er musterte sie aufmerksam und legte eine ernste Miene auf. »Wurden Sie schwer verletzt?«
»Nein, nur ein paar Prellungen und eine Platzwunde. Der Schreck war am schlimmsten.«
»Dann kann ich mir denken. Derartige Dinge erwartet man in dieser Gegend nicht. Hoffentlich hat man ihn geschnappt.«
»Nein, noch nicht.« Da Charity den Zwischenfall bereits abgehakt hatte, zuckte sie gelassen mit den Schultern. »Um die Wahrheit zu sagen, bezweifle ich, dass er je geschnappt wird. Ich nehme an, er hat die Insel verlassen, sobald er wieder nüchtern war.«
»Betrunkene Fahrer.« Block stieß einen verächtlichen Laut aus. »Nun, Sie haben das Recht, nach so einer Sache zerstreut zu sein.«
»Ich habe noch einen angenehmeren Grund. Ich werde bald heiraten.«
»Was Sie nicht sagen!« Ein breites Lächeln trat auf Blocks Gesicht. »Wer ist denn der Glückliche?«
»Ronald DeWinter. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen gelernt haben. Er führt die Renovierungsarbeiten im Westflügel aus.«
»Das ist ja sehr praktisch, nicht wahr?« Er lächelte weiterhin. Die Romanze erklärte vieles. Ein Blick in Charitys Gesicht verdrängte jeglichen Rest von Zweifeln. Er entschied, ein nettes langes Gespräch mit Bob über dessen voreilige Schlüsse
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