Das Geheimnis von Orcas Island
viele Leute haben Sie hier?«
»Morgen werden vier Agenten eintreffen. Es müsste eigentlich alles glatt gehen.«
»Das sollte es auch. Wenn ihr irgendetwas zustößt, werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen.«
Charity stürmte mit einem beladenen Tablett in die Küche. »Ich verstehe gar nicht, wie die Dinge so plötzlich außer Kontrolle geraten können. Hatten wir jemals am Mittwochabend ein volles Haus?« Sie holte ihren Bestellblock hervor. »Zwei Spezial mit Naturreis, eins mit gebackener Kartoffel und einen Kinderteller Rippchen mit Fritten.« Sie eilte zur Bar, um die Getränke selbst einzuschenken.
»Immer mit der Ruhe«, riet Mae. »Die Leute werden nicht weglaufen, bevor sie gegessen haben.«
»Das ist ja das Problem.« Charity belud ihr Tablett. »Ausgerechnet jetzt muss Lori krank sein.« Sie wich abrupt zurück, um nicht mit Ronald zusammenzustoßen. »Entschuldige.«
»Soll ich dir helfen?«
»Sehr gern!« Sie lächelte, beugte sich über das Tablett und küsste ihn. »Die Salate gehen an Tisch 5.«
»Vier Salate des Hauses.« Dolores summte den Hochzeitsmarsch, während sie Ronald das Tablett reichte.
Fünf Minuten später begegnete Charity ihm erneut im Türrahmen. »Komische Gäste heute«, murmelte sie.
»Wieso?«
»Der Mann an Tisch 2 ist so nervös, als hätte er eine Bank ausgeraubt. Und das Paar an Tisch 8, angeblich in den zweiten Flitterwochen, verbringt mehr Zeit damit, alle anderen anzusehen als einander.«
Ronald sagte nichts. In weniger als dreißig Minuten hatte sie Dupont sowie zwei von Conbys Agenten ausgemacht.
»Und dann der kleine Mann im dreiteiligen Anzug an Tisch 4. Anzug und Krawatte. Ist gekommen, um sich zu entspannen, sagt er. Wie kann man sich in einem dreiteiligen Anzug entspannen? Behauptet, aus Seattle zu kommen, und dabei spricht er mit östlichem Dialekt. Sieht aus wie ein Wiesel.«
»Findest du?« Ronald gestattete sich ein Lächeln über ihre Beschreibung von Conby.
»Ein sehr gepflegtes Wiesel«, fügte Charity hinzu und schüttelte sich. »Wenn jemand so geschniegelt ist, bekomme ich immer eine Gänsehaut.«
Aber Pflicht war Pflicht, und das Wiesel saß in ihrem Bereich.
»Möchten Sie jetzt bestellen?« fragte sie Conby mit einem strahlenden Lächeln.
Er nahm den letzten Schluck seines Wodka-Martini. »Auf der Karte steht, dass die Forelle angeblich frisch ist.«
»Ja, Sir.« Darauf war sie besonders stolz. Der eigene Teich war ihre Idee gewesen. »Das ist sie ganz gewiss.«
»Sie war wohl frisch, als sie heute Morgen geliefert wurde.«
»Nein.« Charity senkte den Bestellblock, doch sie lächelte weiterhin. »Wir züchten unsere Forellen selbst.«
Conby zog eine Augenbraue hoch und tippte an sein leeres Glas. »Ihr Fisch mag besser sein als Ihr Wodka, aber ich bezweifle, dass er wirklich frisch ist. Doch er scheint das einzig Interessante auf Ihrer Karte zu sein. Daher werde ich mich damit begnügen müssen.«
»Der Fisch ist frisch«, wiederholte Charity mit bewundernswerter Ruhe, wie sie fand.
»Sicherlich sehen Sie es so. Ihre Auffassung von frisch könnte jedoch von meiner abweichen.«
»Ja, Sir. Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.«
Sie mag unschuldig sein, dachte Conby, aber tüchtig ist sie nicht gerade.
»Wo brennt’s denn?« fragte Mae, als Charity in die Küche stürmte.
»In meinem Kopf.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Der Winzling da draußen behauptet, dass unser Wodka schlecht, unsere Speisekarte langweilig und unser Fisch nicht frisch sei.«
Mae schnaubt empört. »Was hat er denn gegessen?«
»Noch nichts. Ein Drink, und schon maßt er sich ein Urteil an.«
»Der Bursche an Tisch 4 will noch einen Wodka-Martini«, verkündete Ronald, der mit einem beladenen Tablett hereinkam.
Charity wirbelte herum. »Ach, will er das wirklich?«
Er konnte sich nicht erinnern, jemals ein derart zorniges Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben. »Ja, das will er.«
»Nun, ich habe vorher etwas anderes für ihn«, rief Charity und stürmte hinaus.
»Habe ich etwas verpasst?« fragte Ronald.
»Der Mann hat Nerven! Bezeichnet unser Essen als langweilig, bevor er es überhaupt probiert hat«, schimpfte Mae. »Ich hätte Lust, ihm eine ordentliche Hand voll Curry in sein Essen zu mischen. Langweilig? Ha! Das wollen wir doch mal sehen!«
Alle drehten sich um, als Charity zurückkehrte. Sie trug einen großen Teller, und darauf zappelte eine Forelle.
»Oje!« Dolores schlug beide Hände vor den Mund.
Grinsend wandte
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