Das Geheimnis von Sittaford
Mordfall.»
Das entsprach allerdings nicht ganz der Wahrheit, denn keine Menschenseele in Exhampton konnte behaupten, nichts von diesem Ereignis zu wissen.
«Ich bin beauftragt», ergriff der lächelnde junge Mann von neuem das Wort, «Ihnen im Namen des Daily Wire diesen Scheck von 5000 Pfund zu überreichen und Ihnen zu gratulieren, da Sie als einziger unser Fußballrätsel richtig gelöst haben.»
Inzwischen war man in der Diele angelangt, wo sich Major Burnaby etwas benommen in einen Korbsessel fallen ließ. Doch sein Begleiter gönnte ihm keine Zeit, sich zu erholen.
«Fraglos werden Sie unsern Brief, der Ihnen diese freudige Mitteilung machte, bereits gestern Morgen erhalten haben», plauderte er weiter.
«Brief?» stieß der Major hervor. «Haben Sie vergessen, dass Sittaford unter drei Meter hohen Schneemassen begraben ist? Meinen Sie, man hätte uns in den letzten Tagen mit regelmäßiger Postzustellung beglückt?»
«Nun, dann werden Sie aber jedenfalls Ihren Namen in der heutigen Morgenausgabe des Daily Wire gelesen haben.»
«Nein, auch das nicht, mein junger Freund. Ich habe heute noch keinen Blick in Ihre Zeitung geworfen.»
«Ah, natürlich nicht!» bemerkte verständnisvoll der Journalist. «Dieser traurige Vorfall… Der Ermordete war, wenn ich nicht irre, ein Freund von Ihnen.»
«Mein bester Freund.»
«Harter Schlag!», sagte der junge Mann, taktvoll den Blick senkend. Dann zog er aus der Brusttasche ein gefaltetes mattlila Papier hervor und überreichte es dem Major mit einer Verbeugung. «Der Daily Wire gestattet sich, Ihnen seine Empfehlungen zu übermitteln…»
Major Burnaby nahm das kostbare Papier und erwiderte das einzige, was unter diesen Umständen möglich war:
«Darf ich Sie einladen, etwas mit mir zu trinken, Mr…?»
«Enderby, Charles Enderby ist mein Name. Ich bin erst gestern Abend hier eingetroffen. Sie müssen nämlich wissen, Major, dass es zu unseren Gepflogenheiten gehört, den glücklichen Gewinnern ihre Schecks persönlich auszuhändigen. Nachher veröffentlichen wir darüber ein kleines Interview. Interessiert die Leser. Und jeder hier behauptet, es sei unmöglich, nach Sittaford zu gelangen. Ich Pechvogel! dachte ich ganz bekümmert. Und was geschieht? Hier in den ‹Three Crowns› finde ich Sie!» Er lächelte.
«Kein Ausweis nötig, Major. In diesem abgelegenen Winkel Englands scheint jeder jeden zu kennen.»
«Was möchten Sie trinken?», fragte Burnaby.
«Bier, wenn ich bitten darf.»
Der Major bestellte zwei Bier.
«Dieser Mordfall hat das ganze Nest aufgescheucht», bemerkte sein Gast. «Offenbar aber auch eine sehr mysteriöse Geschichte.»
Ein Grunzen antwortete ihm. John Burnabys Gefühle gegenüber Journalisten hatten sich nicht geändert. Aber man kann einen Mann, der vor knapp fünf Minuten einen Scheck über 5000 Pfund überreicht hat, doch nicht unhöflich behandeln. Man kann ihm doch nicht einfach sagen, er solle sich zum Teufel scheren!
«Keine Feinde?» fragte Enderby, und Burnaby verstand sofort, was gemeint war.
«Nein.»
«Aber ich hörte, dass nach Ansicht der Polizei kein Raubmord vorliegt.»
«Woher wissen Sie das?»
Mr Enderby jedoch verschwieg seine Informationsquelle.
«Ich hörte weiter, dass Sie, Sir, den Leichnam entdeckten», fuhr er fort.
«Ja.»
«Es muss ein entsetzlicher Schreck gewesen sein.»
So nahm die Unterhaltung ihren Fortgang. Noch immer war Major Burnaby fest entschlossen, jede Auskunft zu verweigern, doch war er der Geschicklichkeit des jungen Mr Enderby nicht gewachsen. Der stellte Behauptungen auf, zu denen der Major sich wohl oder übel im bejahenden oder verneinenden Sinne äußern musste, und so lieferte er unbewusst die gewünschten Auskünfte. So liebenswürdig zeigte sich der junge Mann, dass Burnaby das Verfahren durchaus nicht als quälend empfand, sondern für den Urheber beinahe so etwas wie Sympathie in sich aufkeimen fühlte.
Nun aber erhob sich Mr Charles Enderby und bekundete, dass er zur Post gehen müsse. «Wenn Sie nur noch die Güte hätten, mir eine Quittung für den Scheck auszustellen, Sir.»
Selbstverständlich tat Burnaby dies gern, und als er die Feder aus der Hand legte, fragte er:
«Dann fahren Sie wohl heute noch nach London zurück?»
«O nein. Ich muss noch ein paar Aufnahmen machen: Von Ihrem Cottage in Sittaford, von Ihnen, wie Sie die Hühner oder Schweine füttern oder Kartoffeln hacken oder sich sonst irgendwie betätigen. Sie haben keine Ahnung, wie unsere
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