Das Geheimnis von Turtle Bay
ein guter Witz ein: Kommt ein Zuckerrohr zum Arzt, sagt der Arzt …“
„Das war dein erstes und letztes Glas“ , unterbrach Nikki ihn, trank aber selbst wieder einen kräftigen Schluck.
Abrupt war die Wand aus grünen Pflanzen verschwunden, an ihre Stelle trat eine weite, kreisrunde Fläche. Vor ihnen lag ein ausgedehnter, von Riedgras gesäumter Teich, Ibisse wateten durch das Wasser und suchten nach Fischen, Kormorane hatten ihre Flügel zum Trocknen ausgebreitet.
„Dieser Tag ist voller Überraschungen“ , musste Bree zugeben.
„Und das ist erst der Anfang“ , gab Josh zurück. „Dieser Teich entspricht einer Fläche von vierzig Quadratmetern und filtert den Phosphor und Stickstoff aus den Abwässern der Farm heraus, bevor die über die Glades in den Golf gelangen.“
„Vorgeschrieben durch einen ruinösen Erlass aus dem Jahr ’94“ , fügte Nikki an. „Auch wenn es vordergründig um den Schutz der Everglades ging, sollten damit die Zuckerrohrfarmer dafür bestraft werden, dass sie den Amerikanern das geben, was sie haben wollen: Zucker, auf dass sie alle dick und fett werden! Und hier drüben ist unser persönliches Shangri-La.“
Bree schaute in die von Nikki angezeigte Richtung und entdeckte einen kleinen Pavillon mit Kuppeldach, der von Fliegengitter umgeben war und genügend Platz für einen Tisch und vier Stühle bot. Selbst eine Hängematte hätte hier noch Raum gefunden. Das Zuckerrohrfeld verlief zur einen Seite dicht neben dieser Zuflucht, von der anderen Seite dagegen hatte man eine hervorragende Aussicht auf den Teich. Sie wollten eben hingehen, da ertönte in der Ferne das helle Läuten einer kleinen Glocke.
„Ach, verdammt. Ich habe Lindy doch gebeten, mit dem Essen zu warten“ , ärgerte sich Nikki. „Hast du dein Telefon dabei, Josh?“
„Natürlich nicht. Das hier wäre nicht unser Paradies, wenn mich jeder erreichen könnte. Bree?“
„Tut mir leid, aber ich habe meins auf dem Zimmer gelassen. Ich wusste nicht, dass wir einen Ausflug machen würden. Ich dachte, wir würden uns auf die Veranda setzen und etwas trinken.“
„Ich laufe zurück zum Haus und sage ihr, dass wir frühestens in einer halben Stunde da sein werden“ , entschied Nikki, während Josh die Tür öffnete, sodass sie das Tablett auf dem Tisch abstellen konnte. „Das dauert keine zehn Minuten, und bei der Gelegenheit kann ich auch gleich diese Machete mitnehmen. Ich werde ein Telefon mitbringen.“
„Kein Telefon!“ , rief Josh ihr nach. „Keine E-Mails, keine Interviews, keine Erklärungen, keine Pressemeldungen!“ Er wurde leiser, als seine Frau hinter der grünen Wand aus meterhohem Zuckerrohr verschwunden war. „Manchmal“ , sagte er dann seufzend, „würde ich lieber hier auf dem Feld arbeiten als einen Wahlbezirk nach dem anderen zu beackern.“
Seine Pointe war so schlapp wie bei seinen vorangegangenen Anläufen, witzig zu sein. Zugegeben, er war müde und versuchte trotzdem, ein guter Gastgeber zu sein. Aber sie fragte sich, ob da nicht etwas war, was er damit zu überspielen versuchte.
„Da fällt mir ein …“ Bree setzte sich auf den Stuhl, auf den Josh zeigte, dann nahm er neben ihr Platz. „Hat Mark dich auch hergeflogen? Nikki und ich hätten doch auf dich warten können.“
„O ja, er fliegt dauernd einen von uns durch die Gegend“ , antwortete er und rieb sich die Augen. „Er hat bei Nikkis Dad im Haus eine Wohnung, aber seit ich kandidiere, ist er rund um die Uhr für mich im Einsatz.“ Er sah sie an und zwang sich zu einem Lächeln. „So wie dieser rosa Hase aus der Batteriewerbung, der läuft und läuft und läuft …“
„Ich kann mir vorstellen, dass der Stress für dich entsetzlich sein muss. Du stehst die ganze Zeit im Rampenlicht, jeder beobachtet dich, du hast keinen Moment für dich allein, außer wenn du mit Nikki hier bist. Du bist praktisch immer nur mit ihr oder mit Mark allein, aber nie mit jemand anderem.“
Er erwiderte nichts, sondern blickte über das Wasser. Mehrere Teichhühner kabbelten sich um den schönsten Platz auf dem See, während andere auf der Wasseroberfläche Anlauf nahmen, um gleich darauf davonzufliegen. Bree fragte sich, ob dieser Moment mit Josh allein ein Geschenk des Himmels war oder ob er von den irdischen Gottheiten arrangiert worden war, die in diesem Königreich des Zuckerrohrs das Sagen hatten. So oder so, sie würde diese zehn Minuten nicht ungenutzt lassen, die Nikki für den Rückweg benötigte.
„Ich könnte mir
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