Das Geheimnis von Turtle Bay
gesehen?“ , fragte sie. „Die Wettervorhersage hatte ja völlig danebengelegen, da könnten andere Leute ebenfalls mit ihren Booten unterwegs gewesen sein.“
„Ein paar habe ich gesehen, jedenfalls zu Anfang. Aber die waren ziemlich weit entfernt.“
„Vor dir oder von dieser Position hier?“
„Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber ich wüsste nicht, wie man das nachprüfen sollte. In den Häfen hält selten jemand nach, welche Boote auslaufen, und viele liegen an privaten Anlegestellen entlang der Kanäle.“
„Vielleicht könnte ich bei der Civil Air Patrol nachfragen“ , überlegte sie seufzend. „Aber die haben sowieso schon so viel geleistet. Ich bin mit einem der Piloten befreundet, Dave Mangold. Wenn er wieder in der Stadt ist, kann ich ihn bitten herumzufragen, ob vor dem Unwetter Maschinen der Air Patrol unterwegs waren und sie irgendwelche Boote gesehen haben. Ich weiß, das ist weit hergeholt, Cole, aber Daria muss gewusst haben, wer sich ihr näherte. Ganz bestimmt hat sie denjenigen erkannt, der mit seinem Boot die Mermaids II ansteuerte, und ihn an Bord gelassen. Es ist unheimlich, sich vorzustellen, dass sie allein hier draußen war und jemand kam, um ihr etwas anzutun …“
„Denk jetzt nicht darüber nach. Du bist hergekommen, um ihr Andenken zu ehren. Vor dem morgigen Tag musst du dich unbedingt entspannen.“
Sie nickte nachdrücklich und drehte sich so, dass sie sich mit dem Rücken an seinen Knien abstützen konnte. Ein Arm lag um ihre Taille, ihre Beine lagen über seinem anderen Arm. Sich gegen Cole zu lehnen, linderte die Schmerzen, die ihre blauen Flecke verursachten, und es verschaffte ihrem Herzen Linderung, dass sie ihn berühren konnte.
„Cole, die Stimme der Vernunft“ , sagte sie und legte den Kopf auf seine Schulter. Sie wusste, sie brachte sich in eine Position, um geküsst zu werden, und darauf hoffte sie auch. Die Verletzung an der Innenseite der Unterlippe und ihre schmerzenden Muskeln konnten sie davon nicht abhalten.
„Ich verspüre nicht sehr viel Vernunft, wenn es um dich geht“ , war alles, was er noch sagte, bevor er sich vorbeugte und sie auf den Mund küsste.
Es war ihr erster richtiger Kuss, das erste Aufeinandertreffen gleicher Bedürfnisse und Wünsche. Er hatte sie getröstet, und er hatte sie beschützt. Aber jetzt wollte sie mehr.
Das Boot bewegte sich im Rhythmus der Wellen, der sich auf sie beide übertrug. Mal drückte sie ihren Körper gegen seinen, dann wieder waren die Rollen vertauscht. Er presste seine Lippen auf ihre und zog Bree fester an sich, und als sie die Arme um seinen Hals schlang, strich er mit der freien Hand über ihre Schultern, die Arme, Taille, Hüften und Oberschenkel und wieder zurück, bis er sie auf ihre Brust legte. Sie drückte sich ihm entgegen und atmete genauso angestrengt wie er. Die sanftesten Berührungen schienen zu genügen, um jeden Schmerz in ihrem Körper zu heilen, nur nicht den, der ihr Herz getroffen hatte.
Die Streamin ’ zerrte an ihrem Anker, die Seile knarrten, und die Wellen klatschten laut gegen den Rumpf.
Nähert sich da klammheimlich ein anderes Boot, überlegte Bree, setzte sich abrupt auf und stieß mit dem Kopf gegen sein Kinn. Sie löste sich hastig aus seiner Umarmung und sah sich um.
„Was ist?“
„Ich dachte … tut mir leid, aber ich dachte, ich hätte etwas gehört. Als ob da ein anderes Boot war. Tut mir wirklich leid.“
„Ja, mir auch. Ich war mir nicht sicher, ob sich die ganze Welt um uns drehte oder ob das Boot schaukelte. Wir drehen besser bei.“
Bree stellte sich hin, Cole griff nach der Pinne. Ein Blick über Bord zeigte ihr, dass die Wellen am Kranz zerrten, er aber seine Position beibehielt. Cole holte den Anker ein und setzte das Großschott. „Pass auf, dass dich der Baum nicht erwischt.“
Sie duckte sich, er wendete das Boot, und dann machten sie sich auf den Rückweg. Ihr wurde bewusst, wie gut er mit ihr umzugehen verstand. Wie sonderbar. Da war sie mit diesem Mann erst seit fünf Tagen zusammen, und das auch nur tagsüber und selbst dann nicht pausenlos. Und doch kam es ihr so vor, als würde sie ihn gut kennen. Den gleichen Fehler hatte sie zuvor bei Daria auch schon begangen.
15. KAPITEL
Zum Glück war am Tag der Beerdigung der Himmel bewölkt, und es wehte eine leichte Brise, sonst wären die Temperaturen in der kleinen Kirche unerträglich gewesen, in der Darias Angehörige die Trauergäste empfingen. So viele Menschen waren gekommen, um ihnen
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