Das Geheimnis von Turtle Bay
Beinen und rutschten ungeduldig auf ihren Stühlen hin und her. Auf der anderen saß Amelia, und rechts von ihr und damit am Mittelgang hatte Briana Platz genommen. Bree fand, dass Pastor Wallace genau die richtigen Worte gefunden hatte, tröstende und erbauliche Worte. Dennoch fühlte sie sich einsam und niedergeschlagen.
„Ich lese aus dem Psalm 107“ , sagte der Pastor, dessen schlichtes, schwarzweißes Gewand im Wind flatterte.
„Die sich auf Schiffen aufs Meer hinabbegeben,
Auf großen Wassern Handel treiben,
Diese sehen die Taten des Herrn
Und seine Wunderwerke in der Tiefe …“
Er las weiter über diejenigen, die der Gnade der See ausgeliefert waren, die ihre Sorgen hinausschreien. Er sagte, jeder sei dankbar, dass Briana an diesem fürchterlichen Tag nicht auch noch ihr Leben verloren hatte. War wirklich jeder dafür dankbar?
Es folgten Ausführungen über Darias allzu kurzes Leben, über die Geschenke, die sie vom Meer bekam und die sie dem Meer gab, und der Pastor erwähnte sogar den Bericht, der morgen veröffentlicht werden sollte. „Darias Seegras-Projekt strebte danach, Gottes wunderbare und kostbare See zu beschützen, so wie Gott nun ihre ewige Seele beschützt. Daria liebte so wie ihre Zwillingsschwester Gottes Schöpfung, sowohl die über dem Meer, die wir jetzt sehen können, als auch die tief unter der Oberfläche.“
Als Amelia unruhiger wurde als ihre Söhne, wurde Bree bewusst, dass sie den Pastor hätte bitten sollen, nicht zu häufig Darias Zwillingsschwester zu nennen. Andererseits wusste er über die ältere Schwester der beiden so gut wie nichts. So viele Gäste hatten betont, wie ähnlich Bree ihr doch sei und wie sehr sie das Gefühl hätten, Daria sei immer noch bei ihnen, während sich Amelias Bestürzung bei jeder dieser Bemerkungen ein wenig steigerte.
Der Bestattungsunternehmer hatte sie gefragt, ob sie den Leichnam noch einmal sehen wollten, bevor der Sarg geschlossen wurde, doch sie waren beide dagegen gewesen. Bree wollte das schreckliche Bild einfach vergessen, das sie unter Wasser gesehen hatte, und Amelia sagte nur wieder und wieder: „Das kann ich nicht, es tut mir leid …“
Bree versuchte, dem Gottesdienst zu folgen, aber immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und sie fragte sich, ob ihr Angreifer hier war. Der Angreifer, der vielleicht auch Daria auf dem Gewissen hatte. Fred Hollimans Statur und Größe war genau richtig, doch sie fragte sich, ob die Perücke gehalten hätte, nachdem er bei dem Sturz in den Graben die Baseballkappe verloren hatte. Und diese Verletzung an Rics Wange? Sie zweifelte nicht daran, dass Sam Travers alles dafür geben würde, Bree so leiden zu sehen, wie er seit dem Tod seines Sohnes litt. Nein, das war doch verrückt, das war maßlos übertrieben. Wo verlief die Grenze zwischen Selbstschutz und Paranoia?
Gegen Amelias Widerstand hatte Bree darauf bestanden, dass die Salazars gleich hinter der Familie sitzen sollten. Manny befand sich in tiefer Trauer, seine Frau Juanita bekreuzigte sich alle paar Minuten. Lucinda saß neben ihrer älteren Schwester Carianna, alle trugen schwarz und hielten ein Kreuz in der Hand – sogar Lucinda.
Auch die Mitglieder der Kommission für einen sauberen Golf waren gekommen und saßen zusammen, ausgenommen Cole. Der hatte die ganze Zeit über auf der Lauer gelegen, ob ihm etwas Ungewöhnliches auffiel, und stand nun wie ein Ordner etwas abseits.
Die Trauernden sangen „Eternal Father Strong To Save“ , was Bree auch als Hymne der Navy ein Begriff war. Der quälende Refrain lautete: „O, hear us when we cry to thee/For those in peril on the sea.“
O ja, sie hätte laut weinen können, und Amelia schluchzte auch leise, ihre Schultern zuckten, obwohl Ben ihr linkes Handgelenk fest umschlossen hielt. Bree griff nach Amelias anderer Hand. Tränen würden ihr jetzt nicht weiterhelfen. Vielmehr musste sie herausfinden, wer Daria etwas angetan hatte. Wenn diese Person für ihr Verbrechen bezahlt hatte, würde Bree den Tod ihrer Schwester verarbeiten können. Sicher würde Bree sogar eine Möglichkeit finden, um zu vergeben, doch zuvor musste der Gerechtigkeit Genüge getan werden.
Ihr Blick fiel auf Darias liebste Tauchermaske auf dem Sarg. Die fahle Sonne wurde auf eine sonderbare Art vom dem Plastik reflektiert, als würden zwei leuchtende, übernatürliche Augen sie anstarren. Jemand hier trug eine Maske. Irgendjemand war anwesend, der seine Trauer nur vortäuschte und der sie vielleicht
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