Das Geheimnis von Turtle Bay
am Grab fiel erfreulich kurz aus, denn Amelia war noch immer ein Häufchen Elend und brachte damit Bree allmählich um die Haltung, die sie zu wahren versuchte. Schließlich ging jeder zurück zu seinem Wagen. Ben hielt Amelia die Tür auf – die Jungs waren zu einem Freund nach Hause gegangen –, da sagte Bree: „Ich bleibe noch, bis sie das Grab zugeschaufelt haben.“
Ben drehte sich zu ihr um. „Das wird dich nur noch mehr deprimieren. Du musst das nicht machen.“
„Ich weiß. Aber ich bin mit ihr zusammen auf die Welt gekommen, und ich möchte sehen, dass sie ihren Frieden gefunden hat, wie man so sagt.“
Er nahm sie am Arm und führte sie einige Meter fort vom Wagen. In einiger Entfernung konnten sie den Bestattungsunternehmer sehen, wie er sich mit den Totengräbern unterhielt, die auf ihren Einsatz warteten.
„Bree.“ Er konnte seine Ungeduld nur mühsam überspielen. „Sie hat ihren Frieden. Jetzt musst du daran arbeiten, deinen eigenen Frieden zu finden und die Wogen rund um Darias Tod zu glätten.“
„Der ist wirklich gut“ , konterte sie. „Die Wogen glätten.“
„Du weißt, wie ich das meine. Ich merke dir doch an, dass du die Toten nicht ruhen lassen willst. Ich bin nicht umsonst der Bezirksstaatsanwalt, und ich kann zwischen den Zeilen lesen, was dir plötzlich durch den Kopf geht. Wenn du dir ein halbgares Mordkomplott zurechtzimmerst, wirst du dich nur noch mehr aufregen, und am Ende wirst du noch verletzt.“
Bree löste sich aus der Unklammerung und baute sich vor Ben auf. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie bereits verletzt worden war. Mehr noch aber störte sie Bens drohender Unterton. „Wie soll ich das verstehen?“
„Um es mit einem anderen Klischee auszudrücken: Du wirst in ein Wespennest stechen, wenn du rumläufst und irgendwelchen Leuten vorwirfst, sie hätten ein Verbrechen begangen, und wenn …“
„Ich werde es ihnen auch vorwerfen, wenn ich herausfinde, dass jemand diesen angeblichen Unfall inszeniert hat. Ich dachte, ein Bezirksstaatsanwalt würde einen Mord nicht als Lappalie abtun, die man besser vertuscht.“
„Amelia erzählte mir davon, dass du meinst, jemand sei bei euch eingebrochen und hätte Darias Zimmer durchwühlt. Wenn ich jemanden von der Spurensicherung kommen lasse, damit er nach Fingerabdrücken sucht, wirst du dann Ruhe geben?“
„Das wäre nett von dir. Ich wollte sonst nämlich die Polizei davon überzeugen, das zu tun.“
„Ich fragte: Wirst du dann Ruhe geben?“
„Das kommt darauf an. Was, wenn tatsächlich fremde Fingerabdrücke gefunden werden? Wirst du der Sache dann nachgehen?“
„Natürlich werde ich das. Hör zu, ich will sehen, ob ich was bewegen kann, damit heute Abend noch jemand bei dir vorbeikommt. Wir wollten eigentlich, dass du mitkommst und bei uns übernachtest, aber Amelia ist selbst fix und fertig. Sie ist nie darüber hinweggekommen, dass erst ihre Mutter und dann ihr Vater sich abgewendet haben.“
„So ist das nicht gelaufen.“
„Das denkt sie aber. Für sie ist das die Realität, und ich kann nicht riskieren, nach Daria auch noch Amelia zu verlieren. Nur das zählt.“
Dann drohte er ihr also nicht, sondern sorgte sich um Amelia, was auch nur zu verständlich war.
„Und eine andere Sache“ , sagte er, was sich nach einem bemühten Versuch anhörte, das Thema zu wechseln, „ist dieser Cole DeRoca. Du solltest vorsichtig sein.“
„Was meinst du damit? Er hat mir das Leben gerettet, und er hilft mir mehr als jeder andere. Sag es Amelia nicht, aber es stimmt. Jordan und James mögen ihn …“
„Ich mag ihn auch, aber denk mal drüber nach. Er lässt dich überhaupt nicht mehr aus den Augen, dabei kennst du ihn erst seit einer knappen Woche. Angesichts deiner momentanen emotionalen Verfassung gebe ich dir den Rat, dich nicht an ihn zu binden, weder seelisch noch körperlich.“
Dieser Ratschlag erinnerte sie verblüffend an das, was sie eben erst zu Lucinda gesagt hatte. Aber das hier war etwas anderes. Sie war keine Jugendliche, die gegen ihre Eltern rebellierte.
„Genau genommen kannte ich Cole bereits. Wir haben mal zusammen Mittag gegessen, aber da steckte er gerade mitten in seiner Scheidung, und es ergab sich nichts weiter.“
„Siehst du? Er kann also momentan gefühlsmäßig sehr verwundbar sein und in dir nur einen Ersatz für seine Ex sehen.“
„Danke für deine psychologisch fundierte Meinung, Sigmund Freud.“
„Ich gebe ja zu, es war ein Riesenglück, dass er
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