Das Geheimnis von Turtle Bay
Tat er das wirklich nur, um Amelia und sie zu schützen?
Sie warf ihm einen zornigen Blick zu, der keinen Hehl aus ihren Gefühlen machte. „Ben, dir ist doch klar, dass der Vater des Kindes, mit dem sie sich heimlich getroffen hat, ihr Mörder sein könnte, nicht wahr?“
„Mitten auf dem Meer und dazu in einem Unwetter?“ , gab er zurück. „Du hast selbst gesagt, du hast keinen Motor gehört. Aber vielleicht ist er ja übers Wassers gegangen oder die Strecke mal eben geschwommen.“
„Ich hätte nicht gedacht, jemals erleben zu müssen, dass du die Justiz behinderst“ , warf sie ihm vor, stand auf und wollte das Wohnzimmer verlassen. Ben sprang auf und bekam sie am Arm zu fassen.
„Und du bist nicht mehr ganz bei Sinnen!“ , konterte er, als er sie zu sich herumriss und ihren Arm fester hielt.
„Letztes Mal hast du zu mir gesagt, ich sollte die Wogen glätten, und nun bin ich nicht mehr ganz bei Sinnen? Ich glaube, das kann ich wohl eher von dir behaupten! Und jetzt lass mich los! Ich bin am Boden zerstört, ich bin entsetzt und außer mir vor Wut – auf Daria, auf dich und auf mich selbst, weil ich von allem nichts gewusst habe. Ich werde jetzt nach Hause gehen und mir die Augen aus dem Kopf heulen – mal wieder!“ Sie riss sich von ihm los. „Gibt es sonst noch was, das ich besser wissen sollte?“
„Nur, dass die überraschende Tatsache ihrer Schwangerschaft nicht genügt, um daraus den Mordfall zu machen, den du dir einredest. Ich werde dich wissen lassen, was die Fingerabdrücke ergeben haben, und ich werde die ganze Angelegenheit im Auge behalten.“
„Oh, das kann ich mir lebhaft vorstellen“ , gab sie zurück und ging zur Tür. Als er an ihr vorbeieilte und ihr die Tür aufhielt, fragte sie ihn: „Wirst du es Amelia sagen?“
„Da du die Sache an dich gerissen hast, muss ich das wohl machen.“
Seine Pistole lag noch auf dem Tisch in der Diele. Eine innere Stimme forderte sie auf, die Waffe an sich zu nehmen, damit sie sich schützen konnte. So wie die Haie im Meer ihr gefolgt waren, hatte sie nun das Gefühl, dass etwas ihr folgte und sich dabei dicht unter der düsteren Oberfläche ihres Lebens hielt. Was es war, vermochte sie nicht zu sagen.
Als sie in der Nacht endlich in einen unruhigen Schlaf fiel, versank Bree wieder im Meer. Dessen schwarze Tiefen streckten sich nach ihr aus und zogen sie kraftvoll und brutal mit sich.
Auf dem Grund angelangt, trugen die starken Strömungen sie in einen gläsernen Sarg, in dem sie den Atem anhielt, während sie sich aus ihrem Gefängnis zu befreien versuchte. Sie hatte keine Sauerstoffflaschen, kein Mundstück, keine Luft. Wo war ihre Tauchermaske?
Wasser strömte in den gläsernen Sarg und ließ ihr Haar um ihr Gesicht wirbeln, als wäre es ihr sterbendes Schildkrötengras. Die Haare klebten an den Lidern fest, sodass sie die Augen nicht öffnen konnte und so blind war wie im Graben hinter der Kneipe. Sie kämpfte dagegen an und versuchte die Augen aufzuschlagen.
Sie hob die Hände, um den Sarg aufzudrücken, um nicht ertrinken zu müssen und sich vor dem Mann mit dem Schraubenschlüssel zu retten. Doch dieser Schraubenschlüssel hatte die Form einer Betonmuschel und befand sich gleich außerhalb ihres Sargs. Leute winkten ihr von dort zu. Ihre Eltern. Ted. Daria, die ein Baby in den Armen hielt.
Noch jemand tauchte auf der anderen Seite der Glasscheibe auf. Sam, der hinter seiner Tauchermaske lächelte und sich darüber freute, dass sie in der Falle saß. Er brüllte ihr etwas zu, doch sie hörte ihn nicht, und ihre Haare versuchten immer wieder, ihr die Sicht zu nehmen.
Daria, wo bist du? Daria … wer hat das Boot versenkt? Wer hat dich ertrinken lassen?
Spekulationen . Auch Ben war da draußen und rief ihr zu, er versuche die Familie vor Spekulationen zu schützen. Er trug ebenfalls eine Maske, die zwar sein Gesicht verdeckte, doch ihn erkannte sie an der Pistole in seiner Hand. Die war nicht auf Bree gerichtet, sondern nach unten in die Tiefe, die dunkle Tiefe der See …
Wo war Cole? Er würde herkommen, um sie zu retten.
Obwohl sie versuchte, den Atem anzuhalten – ihren letzten Atemzug, der ihr noch blieb –, schrie sie Coles Namen. Ein Mann mit einer schwarzen Maske vor dem Gesicht wollte sie ertränken, aber jemand schüttelte sie heftig, woraufhin sie die Haare aus dem Gesicht strich und nach Luft schnappte.
„Bree! Bree! Sweetheart, du hast einen Albtraum“ , sprach die tiefe Stimme. „Wach auf, ich bin’s,
Weitere Kostenlose Bücher