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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holtkoetter Stefan
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Osterholt überblickte nachdenklich die ebene Landschaft. Dann machte er einen weiteren Schritt, um nach dem Licht Ausschau zu halten.

19
    Nachdem Hambrock die Grenze zu den Niederlanden überquert hatte, überkam ihn schlagartig das Gefühl, im Urlaub zu sein. Jedes Mal staunte er darüber, wie fremd und andersartig es jenseits der Grenze zu sein schien. Die Häuser waren kleiner und zierlicher und in einem völlig anderen Baustil gehalten. Straßenschilder und Verkehrsampeln besaßen ein anderes Design, und die Wegführungen an den Landstraßen schienen einer unverständlichen Logik zu folgen. Obwohl im vereinten Europa Ländergrenzen kaum noch existierten, gab es immer noch diese Brüche. Man fuhr eine scheinbar vertraute Straße entlang, und mit einem Mal befand man sich mitten in einer anderen Welt.
    Er hatte augenblicklich jeden Gedanken an die Mordermittlung von sich abgestreift. An diesem Nachmittag sollte es nur Elli und ihn geben. Er lehnte sich zurück und genoss die vorbeiziehende Landschaft mit ihren bunten und aufgeräumten niederländischen Höfen.
    Das, was vom Nachmittag noch übrig war, verbrachten sie in Enschede, gemeinsam mit unzähligen weiteren Deutschen, wie sie feststellen mussten. Den gesetzlichen Feiertag gab es in den Niederlanden nicht, und so nutzten die Deutschen die Gelegenheit, um in Enschede einkaufen zu gehen. Sie verstopften die Straßen und die Parkhäuser und drängten sich auf dem Markt und in den engen Fußgängerzonen. Er war froh, Elli voranschicken zu können, wenn er etwas kaufen wollte. Als Niederländerin hatte sie ein deutlich höheres Ansehen im Gedränge vor den Kassen. Schließlich setzten sie sich in ein großes, verrauchtes Café am Marktplatz und genossen die gemeinsame Zeit. Während des gesamten Ausflugs war der Fall Bodenstein wie vergessen, und erst als sie wieder über die grüne Grenze zurück nach Vennhues fuhren, fand Hambrock sich in seinem Alltag wieder.
    Elli parkte den Astra auf dem Dorfplatz und stellte den Motor ab. Sie bemerkten, dass die Dämmerung bereits eingebrochen war, offenbar hatten sie mehr Zeit in Enschede zugebracht, als sie geplant hatten. Inzwischen waren alle anderen wieder zurück nach Münster gefahren. Es stand kein weiterer Dienstwagen mehr auf dem Parkplatz. Nebelbänke schoben sich über die Straßen und hüllten das Dorf zunehmend ein.
    »So ein Mist«, sagte Hambrock. »Es ist keiner mehr da. Wir haben wohl die Zeit vergessen.«
    »Wir hätten den direkten Weg von Enschede nach Münster nehmen sollen«, sagte Elli. »Nun sind wir auch noch einen Umweg gefahren.«
    »Du hast Recht.« Hambrock suchte in den Manteltaschen nach seinem Handy. »Ich würde sagen, wir fahren sofort weiter. Ich melde mich nur kurz bei meinen Eltern ab, damit sie wissen, dass wir nicht mehr kommen.«
    Er hatte gerade das Handy in seiner Innentasche gefunden, als eine Gestalt vor ihnen im Nebel auftauchte. Elli hatte sie zuerst bemerkt, und sie sog angesichts der seltsamen Erscheinung erschrocken die Luft ein. Zunächst war nur eine Silhouette erkennbar, eine geduckte Gestalt mit einer Mistgabel, die über ihrem Kopf in die Luft ragte. Doch sie näherte sich ihnen und ging schließlich mit steifen Bewegungen am Parkplatz vorbei zur Kirche. Gebannt beobachtete Hambrock, wie sie davonhumpelte und kurz darauf im Nebel verschwunden war.
    Elli stieß ein verwundertes Lachen aus.
    »Du meine Güte, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen: Ihr habt Zombies in Vennhues!«
    Hambrock war jedoch nicht amüsiert. »Das war Gertrud Große Dahlhaus«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass sie uns gesehen hat. Es wirkte fast so, als würde sie schlafwandeln.«
    Elli sah ihr nach. »Die arme Frau«, sagte sie. »Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken. Es muss furchtbar sein, ein Kind zu verlieren.«
    Hambrock dachte einen Moment nach.
    »Ich muss hinterher«, sagte er dann und stieß die Beifahrertür auf. »Es dauert nicht lange. Ich will nur kurz mit ihr reden.«
    »Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig bis nach Münster«, sagte Elli. »Du hast doch eine Besprechung mit der Staatsanwaltschaft.«
    »Das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe ein ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Besser, ich sehe kurz nach und rede mit ihr.«
    Feuchtkalte Luft strömte ins Wageninnere, und ein Schauder lief Elli über den Rücken.
    »Also gut, ich warte hier.«
    Sie ließ einen Blick über den verwaisten Ortskern schweifen.
    »Aber beeil dich«, fügte sie hinzu.

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