Das Geheimnis von Winterset
Möglichkeit in der Nähe anderer Menschen aufzuhalten. Und sei auf der Hut. Nimm am besten immer einen der Stallburschen als Begleitung mit."
„Ich soll mich von einem Stallburschen begleiten lassen?", wiederholte Kit aufgebracht. „Bin ich denn ein Kind?"
„Nein, aber ebenso leichtsinnig", entgegnete Anna und reichte ihm das Glas.
Kit nahm einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. „Das ist ja ganz bitter!"
„Es ist Medizin, und Medizin ist bitter. Und jetzt trink aus."
Er leerte gehorsam das Glas, und Anna nutzte die Gelegenheit, ihr Anliegen noch einmal zu bekräftigen. „Nimm wenigstens dann einen der Stallknechte mit, wenn du nachts unterwegs bist. Mir wäre es lieber, wenn du abends gar nicht mehr das Haus verließest, aber wahrscheinlich wirst du jetzt erst recht ausgehen, um uns allen zu beweisen, wie wenig Angst du hast." Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Bitte, nimm wenigstens einen Stallburschen mit, und geh nicht allein."
„Und wie lange soll ich das so machen?", erkundigte er sich und stellte das Glas ab. Mit einem sarkastischen Unterton fügte er hinzu: „Bis an das Ende meines Lebens?"
„Bis dahin wird es nicht mehr lange sein, wenn der Mörder eine zweite Gelegenheit bekommt", erwiderte Anna, ohne mit der Wimper zu zucken.
Kit stöhnte theatralisch auf und ließ sich in sein Kissen zurückfallen. „Anna ..."
„Reed und ich versuchen, den Täter ausfindig zu machen. Wenn wir Glück haben, sind wir bald damit erfolgreich, und dann musst du auch nicht mehr ständig auf der Hut sein."
„Wie bitte?" Kit setzte sich empört auf. „Du verlangst von mir, dass ich auf mich aufpasse, und derweil stellst du dem Mörder nach? Du lieber Himmel, Anna, bist du denn von Sinnen?"
„Nein, keineswegs, denn ich glaube, dass er nicht einmal ahnt, dass wir ihm auf der Spur sind. Wir laufen ja nicht in der Gegend herum und erzählen überall, dass wir Nachforschungen zu den Verbrechen anstellen."
„Mir scheint, dass ich mich in letzter Zeit weniger um das Anwesen hätte kümmern, sondern vielmehr ein Auge auf dich hätte haben sollen", bemerkte Kit.
Verzweifelt sah Anna ihren Bruder an. „Versuche jetzt nicht, den Spieß umzudrehen. Hier geht es um deine Sicherheit - ich habe nichts auf eigene Faust unternommen und war die ganze Zeit mit Reed zusammen."
Kit runzelte argwöhnisch die Stirn. „Anna, wie viel Zeit verbringst du mit ihm? Findest du das wirklich vernünftig?
Du hast mir Vorhaltungen wegen Rosemary gemacht, aber mir scheint, dass dein eigenes Herz in viel größerer Gefahr ist."
„Nein, keineswegs", versicherte Anna ihm wider besseres Wissen. „Reed weiß, dass wir niemals heiraten können.
Ich habe ihm von Onkel Charles erzählt."
„Du hast ihm von Onkel Charles erzählt?", rief Kit ungehalten und sah sogleich zur Tür hinüber, um sich zu vergewissern, dass sie verschlossen war und niemand seine unbedachten Worte gehört hatte.
„Ja, ich konnte es ihm nicht länger verschweigen - aber er behält es für sich", versicherte Anna rasch.
Ihr Bruder sah sie fragend an. „Bist du sicher? Er ist ein verliebter Mann ... "
„Er liebt mich nicht", unterbrach Anna. „Nicht mehr. Wie sollte er auch, nachdem ich ihn vor drei Jahren mit meiner Abweisung so brüskiert habe? Er hat die letzten drei Jahre einen tiefen Groll gegen mich gehegt, und nun war er sehr ungehalten darüber, dass ich ihm nicht bereits damals die Wahrheit gesagt hatte. Aber er versteht meine Gründe."
„Lord Moreland macht auf mich nicht den Eindruck eines Mannes, der so leicht aufgibt."
„Nein, das stimmt. Aber er hat die Unmöglichkeit einer Verbindung zwischen uns erkannt." Sie schluckte schwer, weil sie erneut der Schmerz ihrer verlorenen Liebe zu überwältigen drohte, doch dann fuhr sie fort: „Was bleibt ihm auch anderes übrig? Sein Vater ist immerhin ein Duke."
„Du hast sicher Recht", stimmte Kit zu, wenngleich er noch nicht gänzlich überzeugt schien. „Ich glaube trotzdem nicht, dass es gut ist, wenn ihr euch so oft seht... "
„Kit, hör auf damit", unterbrach Anna ihn mit scharfer Stimme. „Sage mir nicht, dass ich ihn nicht sehen sollte, wo Reed und ich endlich einen Weg gefunden haben, zumindest Freunde zu sein."
Mitfühlend schaute ihr Bruder zu ihr auf. „Anna ... ich möchte nur nicht, dass du erneut leiden musst."
„Ich weiß." Sie lächelte. „Aber das werde ich nicht. Ich werde sehr gut auf mein Herz aufpassen - ebenso, wie du mir versprechen musst, auf
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