Das Geheimnis zweier Ozeane
ausgedacht hatten“, sagte er. „Was wolltest du denn für einen Vorschlag machen?“
„Ich hatte den Plan, das Eis mit Drahtseilen, die man vorher zum Glühen gebracht hätte, zu schneiden. Auf diese Weise würde man die Eiswand in lange und breite, sich nach innen verjüngende Schollen zerlegen. Durch Sprengung würden sie ins Wasser hinabrutschen. Ich denke, das wäre ziemlich fix gegangen. Und was hattest du dir ausgedacht?“
„Ich? Du wirst es kaum glauben …“ Kosyrew rückte näher an Marat heran. „Ich wollte die Eiswand durch konzentrierten Ultraschallbeschuß zerstören … wie es jetzt gemacht wird. Ehrenwort! Aber an den glühenden Schiffskörper habe ich nicht gedacht …“ Kosyrew fuhr mit der Hand durch seine roten Haare. „Doch wenn ich noch Zeit gehabt hätte, wäre ich vielleicht auch darauf gekommen.“
In der Tür zeigte sich Oberleutnant Bogrow.
„Befehl des Kapitäns!“ sagte er mit lauter Stimme. „Alle Mann in die Kajüten! Ausruhen! Schlafen! Es kann jeden Augenblick wieder Alarm gegeben werden.“
„Sind wir schon weit in das Eis eingedrungen?“ fragte Matwejew.
„Fast zwanzig Meter …“
Kaum hatte der Oberleutnant dies gesagt, als zwei kurz aufeinanderfolgende Stöße, begleitet von einem ohrenbetäubenden Getöse, das ganze Schiff vom Bug bis zum Heck erschütterten. Der Fußboden neigte sich scharf, und in der plötzlich eingetretenen Dunkelheit rollte in dem Aufenthaltsraum ein Knäuel menschlicher Leiber zur Wand. Das Dröhnen der Ultraschallkanone hatte aufgehört. Im nächsten Augenblick wurde das U-Boot zurückgeschleudert, mit durchdringendem Knirschen fuhr etwas über die Außenwand des Schiffes, der Fußboden nahm wieder die horizontale Lage an. Das lebende Knäuel rollte von der Wand zurück; man hörte Ächzen und Schnaufen. Pawlik stöhnte laut …
Viertes Kapitel
ENDLICH BEFREIT
D
er erste heftige Stoß hatte den Kapitän überrascht, als er im Steuerraum am Tisch saß und eine Reliefkarte der Antarktis studierte. Er wurde mit solcher Gewalt gegen die Tischkante gedrückt, daß er die Dunkelheit, die ihn im selben Augenblick umfing, als Folge eines heftigen Schmerzes in seiner Brust ansah. Gleichzeitig hörte er neben sich einen schweren Fall, das Klirren berstenden Glases und leises Stöhnen. Ein Zusammenstoß … eine Eislawine …! schoß es ihm durch den Kopf. Auf dem Steuerpult glimmten rote Lämpchen auf. Der Kapitän sprang auf und rief, zur Ecke wankend, mit vor Schmerz erstickter Stimme:
„Rückwärtsgang! Mit aller Kraft!“
In der Ecke, wo das Schränkchen mit den Akkus für die Notbeleuchtung stand, hörte der Kapitän eine leise, fast flüsternde Antwort:
„Zu Befehl …“
Der starke Stoß des Rückwärtsganges ließ ihn fast stürzen.
„Stopp!“
„Zu Befehl!“ hauchte die versagende Stimme.
Jetzt flammte die Notbeleuchtung auf.
Vor dem Steuerpult kniete mit blutüberströmtem Gesicht Leutnant Krawzow. Seine Hände waren zu der Tasten- und Knopfsteuerung erhoben und klammerten sich an die Einfassung des Steuerpultes. Der Kapitän versuchte ihn aufzurichten, aber der Leutnant ließ die Einfassung nicht los.
„Ablösung …“, flüsterte er, den Kopf an die Wandung des Steuerpultes lehnend.
In demselben Augenblick wurde die Tür aufgerissen; Oberleutnant Bogrow stürzte in den Raum.
„Sie kommen wie gerufen, Alexander Leonidowitsch“, rief der Kapitän. „Lösen Sie den Leutnant ab, er ist verletzt.“
Sie setzten Krawzow in einen Sessel. Dann ging der Kapitän mit schmerzverzerrtem Gesicht zum Tisch und schaltete das Mikrophon in das Hauptnetz ein. In allen Räumen des U-Bootes ertönten jetzt laute und klare Kommandoworte.
Das Heck der ,Pionier‘ hatte sich noch außerhalb des Tunnels befunden, im Wasser der Wake, als der erste furchtbare Stoß das ganze Boot erschütterte. Der Schiffsbug wurde nach unten, auf den Boden des Tunnels, gedrückt, der Rumpf schnellte nach oben und stieß mit ungeheurer Gewalt gegen die Decke des Tunnels. Die Erschütterung durch diesen Anprall war in der Gaskammer von dem ohrenbetäubenden Klirren und Poltern der Werkzeuge und Reserveteile begleitet, die von den Wänden gerissen wurden.
Gorelow und Romejko, die sich gerade in der Gaskammer aufhielten, verspürten den ersten Stoß nicht so stark wie die anderen; sie verloren aber dennoch das Gleichgewicht und fielen gegen die festgeschraubten Behälter. Beim zweiten Stoß rollten sie in der Dunkelheit an der Schiffswand
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