Das Geheimnis zweier Ozeane
telefonischen Anruf erschien der Bordfunker Pletnjow und blieb an der Tür stehen, die er fest hinter sich geschlossen hatte.
Die Kartothek und das Chiffreverzeichnis waren wieder im Geheimfach.
„Streng geheim, Viktor Abramowitsch“, sagte der Kapitän und reichte ihm das gefaltete Papier. „Eilt sehr!“
„Zu Befehl!“ kam es zur Antwort. Der Kapitän saß noch lange, in tiefes Nachdenken versunken, an seinem Schreibtisch.
Elftes Kapitel
IN DEN GEWÄSSERN VON FEUERLAND
D
as Wasser in der Druckkammer flimmerte im hellen Schein der elektrischen Beleuchtung und floß, als würde es von den Wänden und dem Boden der Kammer aufgesogen, rasch ab. Die Expeditionsteilnehmer entledigten sich ihrer Ausrüstung. Auch der Kommissar war zugegen. Er hatte heute, um sich etwas Bewegung zu machen, an der Exkursion teilgenommen.
Die jungen Leute waren ausgelassen und fröhlich.
„Ein sehr interessantes Gebiet, nicht wahr, Arsen Dawidowitsch?“ sagte Zoi. „Welch reiche und noch unbekannte Tierwelt! Welche Fülle antarktischer Lebewesen!“
„Äußerst interessant, Zoi!“ pflichtete ihm der Zoologe bei. „Wann werden wir nur das ganze wissenschaftliche Material, das wir hier gesammelt haben, aufarbeiten können?“
„Zoi war ja außer Rand und Band!“ sagte Marat lachend. „Wie ein Verrückter jagte er umher …“
„Na, und du?“ rief Pawlik, seinen Exkursionsrucksack ablegend. „Wer hat mir den prächtigen Seeigel aus den Händen gerissen? Wie ein Räuber … Arsen Dawidowitsch, das war meine Beute! Ich werde Ihnen später den Seeigel zeigen. So einen runden, violetten, mit roten Stachelspitzen.“
„Das ist nicht wahr!“ schrie Marat wütend, seinen Rucksack hin und her schwenkend. „Du hattest ihn ja nicht einmal berührt.“
„Das stimmt schon. Ich hatte meine Hand unter den Seeigel geschoben, um ihn nicht zu beschädigen, du aber hast ihn mir weggenommen.“
Beim Herumschwingen entglitt der Rucksack Marats Händen, und der Verschluß riß auf. In der Öffnung zeigte sich etwas Rotblaues, und im nächsten Augenblick griff Pawliks Hand blitzschnell einen prächtigen Seeigel mit rosafarbenen Stachelspitzen heraus.
Unter allgemeinem Gelächter stürzte Pawlik auf Gorelow zu, der ihn mit ausgebreiteten Armen erwartete, um ihn vor Marat zu schützen. Aber Marat war flinker, und bevor der Junge bei Gorelow anlangte, war der Igel wieder in Marats Besitz. Alle schmunzelten, und Pawlik murmelte verlegen:
„So ein Räuber! So ein heimtückischer Räuber!“
Dann griff er plötzlich nach einem der Rucksäcke und schlug damit Marat über den Taucherhelm. Der Sack öffnete sich, und ein bunter, lebendiger Strom verschiedenartiger Fische, Seesterne, Korallen, Krebse, Tange, Seelilien, Seeigel und Holothurien ergoß sich über den verblüfften Marat und bildete um ihn herum einen flimmernden und zuckenden Schleier. Die Männer lachten jetzt aus vollem Halse. Pawlik vollführte um Marat einen wilden Indianertanz.
Die entrüstete Stimme des Zoologen unterbrach den heiteren Streit:
„Was treibt ihr für Unsinn? Ihr verderbt mir die ganze Ausbeute! Wem gehört der Rucksack?“
In der plötzlich eingetretenen Stille ertönte Gorelows erregte Stimme:
„Mir! – Pawlik, das ist ja unerhört …“
Aus einer Ecke der Kammer schaute der Kommissar verwundert auf das vor Wut entstellte Gesicht Gorelows.
Pawlik stammelte :
„Entschuldigen Sie vielmals, Fjodor Michailowitsch … Ich dachte, das wäre mein Rucksack; ich wußte nicht …“
„Entschuldigen kannst du dich später!“ sagte der Zoologe kurz. „Jetzt wird geschwind wieder eingesammelt! Helft alle mit!“
In dem Wasser, das inzwischen bis Kniehöhe abgezogen war, wimmelte es wie in einem riesigen Aquarium von den mannigfaltigsten kleinen Meeresbewohnern. Alle stürzten sich darauf, aber außerhalb des Wassers waren die Bewegungen der Menschen in den schweren Taucheranzügen langsam und ungelenk.
„Vorsichtig!“ flehte Lordkipanidse, auf allen vieren über den Boden kriechend. „Zerquetscht mir nichts!“
Das Einsammeln wurde zu einem lustigen, kurzweiligen Spiel. Wieder hörte man Scherze und Lachen. Nur Pawlik und Gorelow arbeiteten schweigend. Pawlik konnte den wütenden Blick Gorelows nicht vergessen, der vor Beginn des Einsammelns schnell in seinen leeren Rucksack hineingeschaut und ihn ärgerlich beiseite geworfen hatte. Jetzt suchte der Ingenieur fieberhaft, wobei er weniger einsammelte als in den Seetieren herumwühlte. Er
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