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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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zitierte Reiko den Vers:

    » Hinter dem Schleier des Mondlichts,
    Auf dem Fluss des Himmels,
    Treffen sich der Hirtenjunge
    Und das Webermädchen. «

    Fürst Miyagi sagte:

    » Als die Liebenden einander umarmen,
    Lodert heißer Zorn in mir empor
    Ob ihrer verbotenen Leidenschaft,
    Dann trennen sie sich wieder,
    Und er setzt seine Reise fort
    Und lässt sie ganz allein,
    Auf dass nun ich sie erprobe. «

    Die eisige Hand der Furcht schloss sich um Reikos Herz, als sie über die Bedeutung der Worte des Fürsten nachdachte. Sie war sicher, dass sie neben einem Mörder saß, der seine verdorbenen Fantasien in die Tat umsetzte. »Verbotene Liebe ist etwas Romantisches«, sagte sie. »Euer Gedicht erinnert mich an ein Gerücht, das ich über Konkubine Harume gehört habe.«
    »Im Palast zu Edo kursieren unzählige Gerüchte, und die allerwenigsten entsprechen der Wahrheit«, bemerkte Fürstin Miyagi herablassend.
    Ihr Mann beachtete sie nicht, sondern fragte Reiko: »Was habt Ihr denn über Harume gehört?«
    »Angeblich hat sie sich in einem Gasthof in Asakusa mit einem Mann getroffen.« Reiko sah einen kurzen Anflug von Unsicherheit in den wässrigen Augen des daimyo, behielt aber eine unschuldige Miene bei. »Das war sehr gewagt von ihr.«
    »Ja …« Als würde er zu sich selbst reden, fuhr der daimyo fort: »In manchen Situationen riskieren Liebende die schrecklichsten Konsequenzen. Wie gut für Harumes männlichen Partner, dass für ihn die Gefahr vorüber ist.«
    Reiko konnte ihre Erregung kaum mehr zügeln. »Meint Ihr, Harume wurde von ihrem Liebhaber ermordet, damit die Affäre ein Geheimnis blieb? Ich habe gehört, Harume soll sich auf ein zweites Liebesverhältnis eingelassen haben«, improvisierte Reiko und fragte sich, ob Sano den geheimnisvollen Liebhaber inzwischen ermittelt hatte. Wie gern hätte sie jetzt gewusst, welchen Fortgang die Nachforschungen nahmen! »Sie hat es wirklich darauf ankommen lassen, meint Ihr nicht auch?« Habt Ihr sie und ihren Liebhaber beobachtet, Fürst Miyagi?, hätte Reiko am liebsten geradeheraus gefragt. Wart Ihr eifersüchtig? Habt Ihr Harume deshalb vergiftet?
    »Was macht es schon aus, was Harume getan hat, jetzt, wo sie tot ist?«, sagte die Fürstin in resolutem Tonfall. »Wirklich, ich finde dieses Thema abstoßend.«
    »Nun, es ist ganz normal, dass man sich für seine Bekannten interessiert«, sagte Fürst Miyagi beschwichtigend.
    »Oh. Ich wusste gar nicht, dass Ihr Harume gekannt habt«, log Reiko. »Was war sie für ein Mensch?«
    In den Augen des daimyo spiegelte sich Begierde, als er an sie zurückdachte. »Sie …«
    »Vetter!«, stieß Fürstin Miyagi durch die zusammengepressten Zähne hervor und blickte ihn finster an.
    Der daimyo schien zu erkennen, dass es eine große Dummheit wäre, über seine ermordete Geliebte zu reden. »Das alles ist Vergangenheit. Harume ist tot.« Sein lüsterner Blick richtete sich auf Reiko. »Während Ihr und ich leben.«
    »Heute Morgen habt Ihr gesagt, Harume hätte mit der Gefahr kokettiert und den Tod zu sich eingeladen.« Reiko ließ sich nicht vom Thema abbringen; sie war entschlossen, Fürst Miyagi in die Enge zu treiben. Seine Aussage, am Schauplatz eines der Verbrechen gewesen zu sein, hatte Reiko bereits. Jetzt wollte sie sein Geständnis. »Wart Ihr derjenige, der Harume gab, was sie verdiente?«
    Schon als Reiko diese Worte sagte, wusste sie, dass sie zu weit gegangen war. Als sie den verdutzten Gesichtsausdruck des Fürsten sah, hoffte sie inständig, er möge zu sehr in Erinnerungen versunken sein, um zu bemerken, dass sie ihn praktisch des Mordes beschuldigt hatte.
    Plötzlich packte die Fürstin Reikos Handgelenk. Reiko stieß erschrocken den Atem aus und starrte auf ihre Gastgeberin.
    »Ihr seid gar nicht hierher gekommen, um den Mond zu betrachten, nicht wahr?«, fragte Fürstin Miaygi. »Ihr habt Euch mit uns angefreundet, damit Ihr für den sôsakan-sama spionieren könnt. Ihr wollt meinem Gemahl den Mord an Harume anhängen. Ihr wollt uns vernichten!«
    Das Gesicht der Fürstin hatte eine erstaunliche Verwandlung erfahren. Ihre Stirn war tief zerfurcht, und in ihren Augen flammte heißer Zorn; ihre Nasenflügel bebten, und ihr Mund war zur Grimasse verzogen, sodass die geschwärzten Zähne zu sehen waren. Reiko starrte sie verwundert an. Es war wie der entscheidende Augenblick in einem no- Drama , wenn die Schauspielerin, die bislang eine freundliche, ganz normale Frau verkörpert hatte, plötzlich ihr

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