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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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mattorangenen, mit goldenen Astern bedruckten Seidenkimono. Ihr langes Haar hatte sie hochgesteckt. Sie hielt ein Tablett in den Händen, auf dem ein Krug Sake und zwei Schalen standen. Den Blick sittsam gesenkt, kam sie mit kleinen Schritten zu Sano, kniete vor ihm nieder, stellte das Tablett ab und verbeugte sich.
    »Ehrenwerter Gemahl«, sagte sie leise, »darf ich Euch zu Diensten sein?«
    »Ja. Bitte«, erwiderte Sano und bewunderte ihre jugendliche Schönheit.
    Das Einschenken des Sake überbrückte die Augenblicke peinlichen Schweigens – irgendjemand musste Reiko gesagt haben, was sie tun musste, wenn sie das erste Mal mit ihrem Ehemann allein war –; doch Reikos Hände zitterten, als sie Sano die Schale reichte. Mitgefühl schwemmte Sanos eigene Unsicherheit fort. Dies hier war sein Reich, und es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es Reiko hier gut ging.
    »Ich hoffe, du fühlst dich wohl«, sagte er, füllte die zweite Schale mit Reisschnaps und reichte sie Reiko.
    Vorsichtig, als hätte sie Angst, die Hand ihres Mannes zu berühren, nahm Reiko die Schale an. »Ja, ehrenwerter Gemahl.«
    Als sie tranken, bemerkte Sano, dass Reiko sich die Zähne hatte schwarz färben lassen. Unerwartet breitete sich Hitze in seinen Lenden aus. Bis zu diesem Augenblick hatte er kaum einen Gedanken daran verschwendet, dass das Einfärben der Zähne bei verheirateten Frauen Sitte war; nun aber, als er Reiko zum ersten Mal mit geschwärzten Zähnen sah, erwachte seine Begierde. Es erinnerte ihn daran, dass diese Frau und ihr Körper nun ihm gehörten.
    »Bist du mit deinen Gemächern zufrieden?« Sano nippte am Sake und betrachtete Reikos schön geschwungenen Hals und das kunstvoll aufgesteckte Haar, und mit jedem Augenblick wuchs seine Erregung weiter. Seit mehr als einem Jahr hatte er keine Frau mehr gehabt … »Hast du dich schon ein bisschen eingewöhnt?«
    »Ja. Danke.«
    Reikos schüchternes Lächeln ermutigte Sano. Unter der stillen Oberfläche dieser wohlerzogenen jungen Dame aus vornehmem Haus schlummerten Gefühle für ihn! In diesem Augenblick trat ein Diener ins Zimmer, reichte Sano ein feuchtes Tuch, um sich daran die Hände abzuwischen, und stellte ein Tablett mit Speisen vor ihn hin. Nachdem der Diener das Gemach verlassen hatte und Sano wieder mit seiner Frau allein war, nahm Reiko rasch die Deckel von den Schüsseln mit Sashimi, gedünsteter Forelle und verschiedenen Gemüsesorten; dann schenkte sie ihrem Mann Tee ein. Reiko hatte offenbar schon gespeist, um sich eingehender ihrem Mann widmen zu können. Sano war entzückt von Reikos ergebener, sittsamer Art, wie es sich für eine Ehefrau geziemte.
    »Ich hoffe, du wirst hier glücklich sein«, sagte er. »Bitte sag, wenn du irgendetwas möchtest.«
    Reiko wandte ihm ihr strahlendes Gesicht zu. Ihre Augen funkelten unternehmenslustig. »Vielleicht … Wahrscheinlich kann ich Euch bei den Nachforschungen über den Tod der Konkubine des Shôguns helfen«, stieß sie hervor.
    » Was?« Das Stück Forelle, das Sano gerade zum Mund führen wollte, fiel im aus den Essstäbchen. Fassungslos starrte er Reiko an.
    Deren schüchterne Pose und die sittsame Unterwürfigkeit waren mit einem Mal wie weggeblasen. Mit geradem Rücken und hoch erhobenem Kopf blickte sie Sano fest in die Augen. »Deine Arbeit interessiert mich sehr. Ich habe Gerüchte gehört, dass Konkubine Harume ermordet worden sei. Wenn das stimmt, möchte ich dir helfen, den Mörder zu fassen.« Sie schluckte; dann fügte sie hastig hinzu: »Ich soll sagen, wenn ich irgendetwas möchte. Das hast du gerade selbst gesagt.«
    »Aber so habe ich das nicht gemeint!«, rief Sano bestürzt. Aus seinem tiefsten Innern stiegen Bilder aus seiner Kindheit auf: seine Mutter, wie sie zu Hause mit Kochen, Putzen und Nähen beschäftigt gewesen war, während der Vater in die Welt hinausgezogen war, um den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. Diese Erfahrung hatte Sanos Vorstellung von einer normalen, vernünftigen, ordentlichen Ehe geprägt. Doch es gab noch eine Vielzahl anderer Gründe, Reiko ihre Bitte abzuschlagen. »Es tut mir Leid«, sagte er sanft. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber bei den Ermittlungen in einem Mordfall hat eine Frau nichts zu suchen.«
    Sano erwartete, dass Reiko seine Entscheidung akzeptierte – so wie seine Mutter sämtliche Entscheidungen ihres Mannes akzeptiert hatte. Reiko erwiderte jedoch: »Mein Vater hat mir gleich gesagt, dass du so denkst – was er

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