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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Monaten gehegt und gepflegt, starb nicht so ohne weiteres; sie konnte sich in einen gleichermaßen tiefen Hass verwandeln, wenn es keine Hoffnung mehr gab, diese Liebe erfüllt zu sehen.
    »Wie viel Zeit ist zwischen Eurer letzten Begegnung mit Konkubine Harume und Eurer Entlassung aus der Wachmannschaft des Inneren Schlosses vergangen?«, fragte Sano.
    »Zwei Tage. Zeit genug für Hofdame Chizuru, sich Harumes Beschwerden anzuhören und meine Vorgesetzten darüber zu informieren, damit diese mich bestrafen konnten.«
    Und Zeit genug für Leutnant Kushida, Rache an der Frau zu nehmen, die ihn abgewiesen hatte. »Habt Ihr das hier schon einmal gesehen?« Sano zog das Tuschefläschchen – welches inzwischen geleert und gründlich ausgewaschen worden war – unter seiner Schärpe hervor und reichte es Kushida.
    »Ja, ich habe gehört, dass Harume durch ein Fläschchen mit vergifteter Tusche ums Leben kam. Ist es das?« Leutnant Kushida betrachtete das kleine Gefäß, das auf seiner Handfläche lag, und beugte den Kopf nach vorn, sodass Sano sein Gesicht nicht sehen konnte. Mit der Spitze des Zeigefingers fuhr er über die goldenen Schriftzeichen von Harumes Namen. Dann gab er Sano das Fläschchen zurück, wobei er ungeduldig das Gesicht verzog. »Ich weiß, was Ihr denkt – dass ich Harumes Mörder bin. Habt Ihr denn nicht aufgepasst, als ich Euch erzählt habe, was zwischen ihr und mir gewesen ist? Nichts ist gewesen! Sie hat mich verachtet. Sie hätte sich nie und nimmer für mich tätowiert. Und dieses Tuschefläschchen habe ich noch nie gesehen!« Voller Bitterkeit fügte er hinzu: »Harume hat mir niemals die Geschenke gezeigt, die sie von ihrem Liebhaber bekam.«
    Sano fragte sich, ob Kushida nicht doch gelogen hatte, was sein Verhältnis zu Harume betraf. Was war, wenn sie den Annäherungsversuchen des Leutnants nachgegeben hatte und seine Geliebte gewesen war? Trotz der abfälligen Eintragungen in Harumes Tagebuch war es durchaus möglich, dass sie, die einsame, gelangweilte Konkubine, diesen unattraktiven Freier erhört hatte, falls er die einzige Ablenkung für sie gewesen war. Vielleicht hatte Harume sich ja doch einverstanden erklärt, sich als Beweis ihrer Liebe zu Kushida zu tätowieren, und er hatte ihr die Tusche besorgt. Dann hatte sie es vielleicht mit der Angst bekommen, die Sache könne aufgedeckt und sie beide bestraft werden, und Kushida den Laufpass gegeben. Und als der Leutnant sie nicht gehen lassen wollte, hatte Harume ihn bei seinen Vorgesetzten gemeldet, um sich selbst vor einer Bestrafung zu bewahren …
    Doch wie es auch gewesen sein mochte, Sano hatte noch immer die Absicht, auch den Fürsten der Provinz Tosa zu vernehmen, denn er hielt ihn für den dünnen Mann am Fenster, von dem Harume in ihrem Tagebuch berichtete. Außerdem hatte die letzte Bemerkung des Leutnants auf ein weiteres mögliches Motiv hingedeutet.
    »Ihr glaubt, Harume hatte einen Liebhaber?«, hakte Sano nach.
    »Ich nehme es an. Und zwar deshalb, weil die Umstände ihres Todes darauf schließen lassen.« Kushida erhob sich und lehnte sich auf das Geländer der Veranda, wobei er das Gesicht von Sano abgewandt hielt. »Hätte ich doch nur vorher davon gewusst! Aber Harume wollte sich mir ja nicht anvertrauen.«
    »Aber Ihr habt sie heimlich beobachtet. Ihr seid ihr gefolgt. Ihr habt ihre Gespräche belauscht«, sagte Sano, erhob sich ebenfalls und stellte sich neben den Leutnant. »Ihr hättet doch irgendetwas wissen müssen. Wart Ihr eifersüchtig, weil Harume Euch nicht nur abgewiesen hat, sondern einen anderen Geliebten hatte? Habt Ihr sie zusammen mit diesem anderen gesehen, wenn Ihr sie bei ihren Ausflügen aus dem Palast begleitet habt? Habt Ihr die Tusche vergiftet, an der Harume gestorben ist?«
    »Ich habe sie nicht ermordet!« Blitzschnell packte Kushida den Speer, fuhr zu Sano herum und schwang drohend die Waffe. »Ich wusste nichts von der Tusche. Nach den Vorschriften ist es den Palastwachen untersagt, die Gemächer der Konkubinen zu betreten, außer in Notfällen, und auch dann niemals allein.« Kushida unterstrich seine Worte, indem er den Speer immer wieder in Richtung Sano stieß, wobei er auf dessen Gesicht zielte. »Ich habe Harume nicht ermordet. Ich habe sie geliebt. Niemals hätte ich ihr wehgetan. Und ich liebe sie noch immer. Würde sie noch leben, hätte ich vielleicht irgendwann ihr Herz gewinnen können. Ich hatte keinen Grund, ihr den Tod zu wünschen.«
    »Sieht man davon ab, dass mit Harumes

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