Das geheimnisvolle Gesicht
Zimmer wollen, Mister, gehen Sie nur immer hinein. Mein Vater kommt gleich zurück, er ist nur für einen Augenblick zum Schmied gegangen.“
Perry Clifton lächelte sie an. „Ich möchte kein Zimmer, sondern nur eine Auskunft. Es muß in Duncan Hill einen alten ehemaligen Leuchtturmwärter geben. Können Sie mir sagen, wie er heißt und wo ich ihn finde?“
„Gern!“ Das Mädchen nickte. Sie zeigte in Richtung Süd, vorbei an den spielenden Kindern: „Sehen Sie, gleich hinter dem Platz kommen Sie auf eine Straße, die zum Wasser führt. Sie müssen an fünf Häusern vorbei. Das erste ist McQuire, das zweite Joe Murrey, das dritte Mabel Henderson, das vierte Gene Tyers und das fünfte Violet Silverstone.“
Sie hatte alle Namen hintereinander, ohne Atem zu schöpfen, aufgezählt, und Perry Clifton nutzte ihr Luftholen zu der raschen Frage: „Und in welchem wohnt der Leuchtturmwärter?“
Sie sah ihn amüsiert an, ungefähr so, wie ein Dorfkind einen Mann aus der Stadt ansieht, der fragt, wieviel Milch die Kuh denn gebe? Und das, wo die Kuh in Wirklichkeit keine Kuh, sondern ein Ochse ist. „In keinem, Sir!“ (Vorhin hatte sie noch Mister gesagt!!) „Sie müssen an allen fünf Häusern vorbeifahren. Nach dem letzten, dem von Violet Silverstone, wird die Straße ein bißchen enger. Fahren Sie trotzdem weiter. Nach ungefähr dreihundert Metern sind Sie da!“
„Sie sollten Fremdenführerin werden, Miß! So gut hat mir noch nie jemand den Weg erklärt!“ lobte Perry Clifton, und dann fiel ihm noch eine wichtige Frage ein: „Wie heißt der Mann eigentlich?“
.John Aston, Sir!“
„Vielen Dank!“
„Wenn Sie länger in Duncan Hill bleiben, dann sollten Sie Vaters Küche probieren. Die Leute sagen, daß er gut koche!“ Und verschmitzt: „Und nehmen Sie sich vor John Aston in acht!“
„Wieso — beißt er?“
„Nein, aber er hat eine Menge Stacheln!“ Und mit einem fröhlichen hellen Lachen ging sie, ihren Korb schwenkend, davon.
Als Perry Clifton den Wagen anließ, verschwand sie gerade in einem Haus, über dessen Tür eine aufgeklappte Schere hing. Vielleicht ein Scherenschleifer... Oder eine Schneiderin?
Sekunden später erreichte der Detektiv die angegebene Straße, die als Straße zu bezeichnen pure Hochstapelei war.
Er fuhr an dem ersten Haus vorbei... war es das von Joe Murrey oder Gene McQuire? Oder hieß McQuire gar nicht Gene? Haus Nummer vier war sicher schon an die tausend Jahre alt. Nichts war an ihm mehr gerade, und man war versucht stehenzubleiben, um auf das Einstürzen zu warten. Doch hinter den schiefen Fenstern hingen duftige, weiße Gardinen, und aus dem schiefen Schornstein kräuselte sich ein dünner, heller Rauchfaden, der vom Wind gepackt und hin und her gebeutelt wurde, bis er sich auflöste zu einem Stück unsichtbarer Luft...
Am fünften Haus dagegen, einem länglichen, flachen Gebäude, wurde gearbeitet, besser gesagt: gepinselt. Eine Frau mit einem rot-weiß gepunkteten Kopftuch malte mit energischen Pinselstrichen die Haustür mit neuem Braun an. Sicher handelte es sich um Violet Silverstone. Als Perry Clifton an ihr vorbeifuhr, rief er laut: „Guten Morgen, Mrs. Silverstone!“ Doch die Malerin nahm keinerlei Notiz von ihm. Weder von seinem Zuruf (den sie der geschlossenen Wagenfenster wegen nicht hören konnte) noch vom Geräusch des vorbeifahrenden Wagens. Neugier schien also nicht zu ihren (Un-)Tugenden zu gehören...
Noch dreihundert Meter.
Die Straße, die noch nie eine war, wurde nun endgültig zum holprigen Feldweg.
Da sah Perry Clifton auch schon das Haus des ehemaligen Leuchtturmwärters John Aston, der so viele Stacheln haben sollte. „Wahrscheinlich hält er nicht viel vom Rasieren“, dachte Perry, während er den Wagen behutsam durch die gemeindeeigenen Schlaglöcher dirigierte.
Es war ein eigenartiges Haus; in einem Zug grob und doch pittoresk, skurril, verwinkelt und — lustig. Ja, es machte auch auf Perry Clifton einen ausgesprochen lustigen Eindruck, wie es so dastand: hingebaut, dazugebaut, draufgebaut und angebaut. Alles aus dem gleichen silbergrauen Kalkstein wie die übrigen Häuser des Ortes auch... Ein einstöckiges Haus, das aus vielen kleinen Anbauten bestand. Nur das der Straße oder besser dem Weg zugewandte Mittelstück schien von Beginn an dagewesen zu sein...
Perry Clifton hielt direkt neben dem winzigen Vorgarten.
Er schaltete den Motor aus, zog den Zündschlüssel ab und stieg aus — in der Hand eine Schreibmappe und
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