Das geheimnisvolle Gesicht
er gequält: „Wollen Sie diese Miß Julie eigentlich heiraten, Mister Clifton?“
„Hättest du denn was dagegen?“
„Ich würde kein Wort mehr mit Ihnen sprechen. Und helfen würde ich Ihnen auch nicht mehr!!“ Während aus seinen müden Augen harte Entschlossenheit sprach, entrüstete sich Perry Clifton: „Habe ich vielleicht ein Wort, nur ein einziges Wort gesagt, als du siebenmal hintereinander mit der jüngsten Glennwood-Tochter ins Kino gegangen bist, um dir diesen Walt-Disney-Film anzusehen? Habe ich da was gesagt?“
Das Geräusch der zuschnappenden Tür war das letzte, was Clifton in dieser Nacht von Dicki Miller hörte. Noch einmal zog er den Brief aus dem Umschlag, um sich anschließend mit dem Telefonbuch zu befassen. Fünf Minuten später wußte er es: James Pieter Burton war Grundstücksmakler. Sein Büro befand sich in der Harrington-Street, seine Privatadresse dagegen lautete: Bull-Street Nr. 4. Laut Stadtplan, wie Perry nach langem Suchen herausfand, handelte es sich dabei um eine winzige Seitenstraße in unmittelbarer Nähe des Berkeley-Square. Beide Adressen lagen also nördlich der Themse. Da es sich um eine private Angelegenheit zu handeln schien, tippte Clifton als erwünschten Treffpunkt Burtons auf die Bull-Street. Leider hatte der Briefschreiber vergessen, dieses Detail zu erwähnen.
Das Gespenst von Duncan Hill
Montag, 20. März 1972.
Ein sonniger, blaßblauer Himmel wölbte sich von Ost nach West und von Nord nach Süd über London.
Laut Kalender Frühlingsanfang.
Würde dieser 20. März für Perry Clifton auch den Anfang eines neuen Falles bringen?
Als er seinen Wagen vor dem stuckverzierten Haus in der Bull-Street abbremste, schlug es von der nahe gelegenen Kirche 14 Uhr. Von einer Parklücke war weit und breit nichts zu sehen, und so fuhr er kurz entschlossen in die Garagenauffahrt zu Nummer 4 und setzte seinen Morris hinter einen cremefarbenen Mercedes-Sportwagen.
Die Türglocke entpuppte sich als ein sehr melodisches Vierton-Läutewerk.
Wäre nicht die gestreifte Weste gewesen, nie hätte Perry Clifton vermutet, einen Butler vor sich zu haben. Betrachtete man das reservierte, fast steinern wirkende Gesicht, mußte man unwillkürlich an einen aus Holz geschnitzten Indianerkopf denken. Scharfe, markante Züge und tiefeingeschnittene Falten gaben ihm eher das Aussehen eines Indianers als das eines Butlers. Die dunklen Augen unter den buschigen Brauen betrachteten ihn forschend.
„Mein Name ist Clifton. Ich glaube, Mister Burton erwartet mich!“
Der Butler deutete eine Verbeugung an. Kein Lächeln, weder in den Augen noch um den Mund; nicht die leiseste Geste der Höflichkeit den Gästen des Hauses gegenüber. Oder — war da doch eine Spur von Interesse? „Mister Burton erwartet Sie in seinem Arbeitszimmer, Sir. Bitte erlauben Sie mir voranzugehen!“ Clifton registrierte eine dunkle, ein wenig heisere Stimme, und er sah, während er dem Butler folgte, daß dieser das linke Bein nachzog. Über läuferbelegte Gänge und Teppiche in kleinen Dielen ging es hinauf in den ersten Stock.
Heiter-melancholische Mozartmusik — zuerst wie durch einen Dämpfer wahrnehmbar — verstärkte sich, wurde lauter und deutlicher, je näher sie einer breiten, zweiflügeligen Tür aus geschnitzter Eiche kamen.
Der Butler klopfte. Zuerst leise, dann nachdrücklicher. Volltönend drang die Musik durch die geöffnete Tür, als der Butler eintrat.
Mozart verstummte, dagegen ertönte ein heiseres Räuspern.
„Ein Mister Clifton möchte Sie sprechen, Sir!“
Stille.
Der Butler wandte sich dem Detektiv zu. Und obgleich dieser nicht den leisesten Ton von der Gegenseite im Zimmer gehört hatte, gab der Butler die Tür mit einer steifen Verbeugung frei. „Mister Burton läßt bitten!“
Perry Clifton betrat den Raum. Ein Zimmer von gewaltigen Ausmaßen und ausgesuchter Eleganz, in dem das Schöne das Praktische überwog. Ein Arbeitszimmer, wie es Perry bis zu diesem Augenblick eigentlich nur aus historischen Filmen mit französischem Hintergrund gesehen hatte. Selbst der zierliche Schreibtisch, obwohl mit Papieren übersät, schien eher als Requisit in ein Theaterstück zu passen als in die Umgebung eines zeitgenössischen Immobilienhändlers.
Zu den wenigen technischen Einrichtungsgegenständen gehörte eine imposante Stereoanlage, die mit Tonbandgeräten und Lautsprechern ausgerüstet war und die jedem professionellen Studio zur Ehre gereicht hätte.
Abgezirkelt in der
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