Das geheimnisvolle Gesicht
Mitte des riesigen Raumes standen drei Sessel. Sie waren so plaziert, daß sie sich an der Stelle befanden, die den allerbesten Stereoempfang gewährleistete.
Perry Clifton war sichtlich beeindruckt. Das sah auch James Pieter Burton, der mit ausgestreckter Hand und ernstem Gesicht auf ihn zukam.
„Ich freue mich sehr, daß Sie gekommen sind, Mister Clifton. Vielen Dank!“
Sie schüttelten sich die Hände, und Perry Clifton fühlte Sympathie für den hochgewachsenen, schlanken Mann vor ihm, den er auf fünfzig Jahre schätzte und der eher einem Künstler als einem Grundstücksmakler glich.
Burton dirigierte ihn mit sanftem Druck zu einer Sesselgruppe, die sich in einem Erker befand. „Whisky, Kognak oder sonst etwas Alkoholisches?“ erkundigte er sich. Clifton schüttelte den Kopf. „Um diese Zeit trinke ich höchstens Tee — und dann auch nur, wenn ich unbedingt muß! Und jetzt muß ich nicht.“ Mit einem verschmitzten Lächeln fügte er hinzu: „Tee paßt weder zur Einrichtung noch zu Mozart... zumindest für meine Begriffe!“
„Sie kennen sich also aus...“
„Etwas. Und das Musikstück, das Sie vorhin hörten, war zweifellos das Divertimento D-Dur...“
„Stimmt!“ nickte Burton gleichermaßen erfreut und anerkennend. Und wie um Entschuldigung bittend erklärte er: „Ich leiste mir fast jeden Tag eine halbe Stunde Mozart. Es erleichtert mich, daß Sie kein fanatischer Wagner-Anhänger sind.“ Er sagte es mit dem Anflug eines Lächelns. Perry Clifton schränkte jedoch sofort ein: „Ich bin ein Mensch, der sehr von Stimmungen abhängig ist, trotz meines Berufes. So kann ich um 16 Uhr aus Freude über ein Ereignis Mozart hören, um 20 Uhr aus einer nachdenklichen Stimmung heraus Wagner und um Mitternacht Joan Baez... Ich hoffe, daß Sie das nicht stört, Mister Burton!“
„Es stört mich nicht. Im übrigen habe ich diese umfangreiche Mozart-Plattensammlung von meinem Bruder übernommen.“
Es entstand eine kleine Pause, während der Clifton einen Kupferstich an der Wand fixierte und James Burton seinen Besucher ansah, ohne ihn jedoch wahrzunehmen. Perry Clifton ergriff als erster wieder das Wort: „Sie schrieben, daß Sie von Sir Arthur White von mir erfahren hätten. Kennen Sie ihn schon lange?“
Burton nickte: „Wir lernten uns vor einigen Monaten auf einer Kunstauktion kennen, wo er mir ein einmaliges Stück vor der Nase wegsteigerte. Unser damaliger ,Zweikampf’ bildete sozusagen den Beginn unserer Bekanntschaft. Ich schätze sehr seinen scharfen Verstand und seine Kunst zu formulieren.“
„Und vergessen Sie nicht sein Geschick, jemanden zu überreden, Dinge zu tun, die er gar nicht vorhatte...“, ergänzte Perry Clifton lächelnd. „Ich zum Beispiel hatte vierzehn Tage Ferien auf dem Shannon eingeplant. Und zwar fest eingeplant, seit langem, weil ich auf das Boot eines Freundes angewiesen war. Tja, und als ich reisen wollte, kam Sir Arthur und überredete mich, den Versuch zu machen, einer Bande von Dieben im Hafen von Plymouth auf die Spur zu kommen!“
„Eine Aufgabe, die Sie meisterhaft gelöst haben sollen.“ Perry Clifton winkte ab: „Halb so schlimm. Zu allen Fällen gehört meist auch ein bißchen Glück. Manchmal heißt das Glück Zufall, ein anderes Mal heißt es Angst...“
„Angst?“ warf Burton überrascht ein.
„Ja, Angst der anderen — meist ist es ein einzelner — vor Folgen, die sie oder ihn plötzlich zurückschrecken lassen. Manchmal liegt das Glück auf der Seite des Rechts, ein anderes Mal, Sie sehen es an den ungeklärten Fällen, auch auf seiten der Bösewichte.“
„Hatten Sie schon mal kein Glück?“
Perry Clifton antwortete mit dem Wortspiel: „Bisher hatte ich das Glück, in keinem meiner Fälle kein Glück zu haben. Aber das kann sich von einem zum anderen Mal ändern. Das ist dann Pech!“
Auf dem vorher so ernst wirkenden Gesicht Burtons breiteten sich plötzlich Hoffnung und Erleichterung aus. Und ebenso klang auch seine Stimme: „Ich glaube jetzt wirklich, daß Sir Arthurs Optimismus begründet war, als er meinte: ,Wenn einer Ihren Fall klären kann, dann ist es Mister Clifton.’ Sehen Sie, so kam ich zu Ihnen!“
„Hat Ihnen Sir Arthur auch gesagt, daß ich sehr wählerisch bin, was die Fälle betrifft, die ich übernehme?“
Burton nickte: „Das hat er.“
„Ich habe als Chef der Detektivabteilung bei Johnson & Johnson einen interessanten und gutbezahlten Job. Um mir davon Urlaub zu nehmen, bedarf es schon eines
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