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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Uhr!“ gab ihm Perry die Zeit.
    „Genau?“
    „Genau!!“
    Ohne Übergang und Vorbereitung schlief der Koloß neben ihm weiter. Perry zwängte, mit einiger Anstrengung, seinen kleinen Koffer unter den Beinen hervor und packte ihn sich auf die Knie. Als er die Schlösser aufschnappen ließ, gab sein Nachbar einen urigen Brummton von sich. Perry entnahm dem großen braunen Umschlag das Buch über die Basler Fasnacht. Bis zur Landung in Basel hatte er noch über sechzig Minuten Zeit, Zeit, um sich nicht nur ein wenig mit dem Brauch, sondern auch mit der deutschen Sprache zu befassen. Dabei war er darüber erstaunt gewesen, wie leicht ihm das Telefongespräch mit der Rezeption des Hotels INTERNATIONAL gefallen war. Ein Gespräch, das vom ersten bis zum letzten Wort in deutscher Sprache geführt worden war.
    „Basels Uhren gehen zwar heute nicht mehr anders als alle übrigen in Mitteleuropa; die Jahrhunderte der besonderen ,Basler Zeit’, die derjenigen der umliegenden Länder um eine Stunde vorausging, sind längst vorüber!“
    So begann die Einleitung des Buches, und Perry Clifton beschloß nach diesem Satz, seine Aufmerksamkeit zunächst einmal dem Bildteil des Buches zu widmen. (Eine Untugend, die den meisten Lesern eigen ist.)
    So entdeckte er bereits auf Seite 34 ein Bild, das ihn schmunzeln ließ. Unwillkürlich schielte er hinüber zu seinem leise schnarchenden Nebensitzer, denn das Foto zeigte Narren mit Masken, deren auffälligste Merkmale die riesigen Nasenlöcher in den nicht weniger riesigen Nasen waren. „D’Suffnase“ stand als Bilderläuterung dabei. Hin und wieder gab es auch sympathische Masken, doch sie blieben in der Minderheit.
    Als über den Bordlautsprecher der Anflug auf Basel bekanntgegeben und die Passagiere gebeten wurden, sich anzuschnallen und angeschnallt zu bleiben, bis die Maschine zum Stillstand gekommen sei, wußte Perry Clifton schon eine ganze Menge über Fasnachts-Actien, Trommelkunst und Preistrommeln, über Schnitzelbank-Cliquen, Stecken-und Kopflaternen, Fackeln, Weckeruhren und den berühmten Morgenstreich, der zu nachtschlafender Zeit, nämlich früh um vier Uhr, beginnt und zu dem die Basler in Scharen und zuhauf hinströmten. Zum größten Trommelfest, das es weit und breit gab.
    „Basel?“ fragte sein Nachbar und gähnte so ungeniert, daß Perry Clifton in aller Ruhe besichtigen konnte, womit der Dicke seine (zweifellos umfangreiche) Nahrung zerkleinerte. „Ja, wir sind da! Wir werden gleich landen!“
    „Ich muß nach Bern! Und Sie?“
    Das war kein Englisch mehr, das war jener schweizerischdeutsche Dialekt, bei dem sich das „Innere der zuhörenden Ohren mit Gänsehaut überzieht“! So jedenfalls hatte es ihm ein Einkäufer von Johnson & Johnson geschildert. Doch der Detektiv hatte verstanden.
    „Nein, ich bleibe in Basel!“
    „Warum?“
    Clifton lachte: „Weil ich hier zu tun habe.“
    „Forschungen... Sie sehen wie ein Forscher aus. Textilbranche, würde ich tippen.“
    „Ihr Auge möchte ich haben. Um ein Haar getroffen!“ Perry verschwieg, daß bei den „Forschungen“ nur das kleine Wörtchen „Nach“ gefehlt hatte.
    „Und dann?“
    „Dann fliege ich nach London zurück!“
    „Ah, Sie gehen nicht nach Bern?“
    „Leider nein...“
    „Das ist schade... Bern ist viel schöner als Basel!“ Als er Perrys skeptischen Blick sah, erklärte er den Grund: „Es liegt an der Luft. Ich sag Ihnen, mir bekommt die Basler Luft nicht. Ich hatte mal drei Wochen in Basel zu tun, da hab ich glatt zwei Pfund abgenommen. Mir hat es einfach nicht geschmeckt.“ Er sagte das so ernst, daß Clifton nicht daran zweifeln konnte, daß er es auch so meinte. Und deshalb erwiderte er ebenso ernst (in Deutsch): „Dann würde ich an Ihrer Stelle doch mal für ein Jahr nach Basel ziehen!“
    Der Wohlbeleibte schüttelte den Kopf, daß das Unterkinn hin- und herschwappte. „Sie meinen, ich sei zu dick? Falsch!! Mein Idealgewicht sind 320 Pfund. Sobald ich weniger habe, fühle ich mich nicht wohl.“
    Es tat einen harten Schlag, einen zweiten, dann hatten die Räder Bodenhaftung, die Bremsen traten in Funktion, und einen Augenblick lang spürten die Passagiere den Druck der Sicherheitsgurte.
    Als Perry Clifton den Zoll passierte, mußte er unwillkürlich an Scott Skiffers Witz vom Vorabend denken: Speckgeruch und Mäuse. Vielleicht lag es an seinem innerlichen Grinsen, daß ihn der Zöllner nur fragte, ob er was zu verzollen habe, auf eine Durchsuchung seines Koffers

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