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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Menschen (so McButton später) stürzten sich auf ihn und hielten ihn fest. Und wie auf Bestellung stoppte mit kreischenden Bremsen ein Polizeistreifenwagen neben dem Volksauflauf. Der „spindeldürre Schreihals“ gab den beiden Beamten in einem minutenlangen Vortrag eine genaue Schilderung des ungeheuren Vorgangs, und ehe sich Jack McButton versah, saß er neben der Frau im Fond des Polizeifahrzeugs.
    10 Uhr 52.
    Zorn, Angst, Arger, Verständnislosigkeit, Sorge und kochende Wut auf alles, was zwei Beine hatte, erfüllten McBut-ton vom großen Zeh bis zu den störrischen roten Borsten seines Haarschopfes, der sich so energisch gegen die dunkelblonde „Fremdherrschaft“ sträubte.
    Das Baseler Polizeirevier unterschied sich nicht allzusehr von denen in London. Sogar der Duft war der gleiche. Es war der typische Geruch nach kaltem Rauch, Uniformen, Schreibmaschinen, Leder, Formularen und sonstigem bedruckten Papier, das in Form von Steckbriefen überall herumhing.
    Er knallte seinen Paß auf das Holz und murmelte was von „englischem Konsul“.
    Der Beamte nahm den Paß und blätterte ihn sorgsam von der ersten bis zur letzten Seite durch. „Sie sind also Engländer!“ stellte er endlich fest. „In welchem Hotel wohnen Sie?“
    „Im Hotel Loderer!... Was soll ich denn getan haben?“
    „Moment!“ sagte der Polizist, gleichbleibend freundlich, nahm den Paß und verschwand für eine halbe Minute im Nebenzimmer. Als er zurückkam, erklärte er: „Die Dame behauptet, Sie hätten ihr die Geldbörse gestohlen! Sie gibt es gerade nebenan zu Protokoll!“
    Jack McButton schluckte und dachte daran, daß seine „Geldbörsenzeit“ schon mindestens vier Jahre zurücklag. Und ohne einen weiteren Ton zu verlieren, begann er den Inhalt seiner sämtlichen Taschen vor dem Beamten aufzubauen.
    Doch da öffnete sich schwungvoll die Tür zu besagtem Nebenzimmer. Heraus trat mit bekümmerter Miene und hängenden Schultern McButtons Widersacherin.
    Als sie McButton entdeckte, ließ sie ihre Tasche fallen, klatschte in die Hände und ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Sie packte seine Hände und begann sie zu schütteln. So sehr, daß der kleine, völlig verdutzte Engländer glaubte, sie wolle ihm die Arme auskugeln. „Pardon... Verzeihung...!“ rief sie ein übers andere Mal und überschüttete ihn mit einem dialektdurchdrungenen Wortschwall. McButton sah hilfesuchend auf den Polizisten.
    „Sie bittet um Verzeihung!“ sagte dieser, und es sah aus, als erwarte er bei McButton Tränen der Rührung. „Ihr ist inzwischen eingefallen, daß sie ihr Portemonnaie zu Hause vergessen hat!“
    Die Theres, denn um keine andere handelte es sich, schüttelte noch immer, und der Polizist meinte widerwillig zu McButton, dessen Perücke langsam, aber unübersehbar ins Rutschen geriet: „Sie können Anzeige gegen die Dame erstatten, wegen falscher Beschuldigung — wenn Sie wollen.“
    McButton riß sich los, rückte seinen Schopf zurecht und begann sein Eigentum in Hosen- und Jackentaschen zurückzustopfen.
    Mit einem unfeinen englischen Fluch verließ er das Polizeirevier!
    Eines war für ihn sicher: Urlaub würde er nie in der Schweiz machen.

Besucher

    Es war kurz nach 11 Uhr, als der hellbeige VW in den dunklen Hof des Loderer einbog und sich dort neben einen zweiten VW setzte. Dieser war dunkelblau und hatte die Nummer ZH 21394.
    Ein Mann in einem kamelhaarfarbenen Dufflecoat und dunkler Baskenmütze verließ den VW. In der Hand einen Feuerlöscher, strebte er dem Hintereingang des kleinen Hotels zu. Durch einen kleinen, schmalen, muffig riechenden Gang ging es direkt in die winzige Hotelhalle, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdiente. Eine altmodische Einmannrezeption, ein verblichener Teppich, zwei zerschlissene Ledersessel um einen ovalen Tisch mit schwarzer Glasplatte und Aschenbecher, zwei Spiegel, drei, vier Topfpflanzen, an der Wand ein Stadtplan von Basel sowie zwei Fahrpläne der „Schweizerischen Bundesbahn“: „Basel ab in Richtung“ und „Basel an aus Richtung“ bildeten auf nicht mehr als 25 Quadratmetern Fläche die „Halle“. Sie war leer— bis auf Ernst Tschudi, der, die Brille auf der Stirn, hinter seinem Pult saß und irgendwelche Belege sortierte.
    Er sah auf den Besucher, machte eine heftige Bewegung mit dem Kopf, so daß die Brille auf die Nase rutschte, starrte zuerst den Feuerlöscher, dann den Träger desselben an. Erkennen war in seinen Augen.
    „Herr Komm...“ Weiter kam er

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