Das Geisterhaus
dessen Angehörige
dachten, er würde ihm die Seele stehlen, und vorsichtshalber die
Platten zerstörten. Bauern aus der ganzen Gegend waren zur
Totenfeier gekommen, weil sich Pedro Garcia der Alte in den
hundert Jahren seines Lebens mit vielen Leuten aus seiner
Provinz verschwägert hatte. Die Meica, die noch älter als er war,
kam mit mehreren Indianern ihres Stammes, die auf ihren
Befehl den Verstorbenen zu beweinen begannen und mit ihrer
Totenklage bis zum Ende des Leichenbegängnisses, drei Tage
später, nicht aufhörten. Die Leute versammelten sich am
Ziegelhäuschen des Alten, um Wein zu trinken, Gitarre zu
spielen und die Braten zu überwachen. Auch zwei Priester
kamen auf dem Fahrrad, um die sterblichen Reste Pedro Garcías
zu segnen und das Totenritual zu leiten. Einer von ihnen war ein
rotblonder Riese mit starkem spanischem Akzent, Pater José
Dulce Maria, den Esteban Trueba dem Namen nach kannte. Er
war gerade im Begriff, ihm das Betreten seines Guts zu
verwehren, als Clara ihn überzeugte, daß dies nicht der
Augenblick sei, den politischen Haß über die Christlichkeit der
Bauern zu stellen. »Wenigstens in die Seelenangelegenheiten
wird er ein bißchen Ordnung bringen«, sagte sie. So daß ihn
Esteban Trueba am Ende willkommen hieß und ihn und den ihn
begleitenden Laienbruder, der den Mund nicht aufmachte und,
den Kopf ein wenig geneigt und die Hände gefaltet, immer zu
Boden blickte, einlud, im Haus zu nächtigen. Der Tod des Alten,
der seine Saat vor den Ameisen und obendrein ihm das Leben
gerettet hatte, ging dem Patron nahe, und er wünschte, daß
dieses Begräbnis allen als ein Ereignis im Gedächtnis bliebe.
Die Priester riefen die Hintersassen und die auswärtigen Gäste
in der Schule zusammen, um ihnen wieder einmal die
vergessenen Evangelien zu Gehör zu bringen und für die Seele
Pedro Garcías eine Messe zu lesen. Dann zogen sie sich in das
Zimmer zurück, das man ihnen im Herrenhaus angewiesen
hatte, während die anderen das durch die Ankunft der Pfarrer
unterbrochene Festgelage fortsetzten. Bianca wartete, bis die
Gitarren und die Totenklage der Indios verstummt und alle zu
Bett gegangen waren, dann sprang sie durchs Fenster aus ihrem
Zimmer und schlug den Weg zum Fluß ein. Das tat sie drei
Nächte hintereinander, bis die Priester das Gut verlassen hatten.
Alle außer ihren Eltern wußten, daß sich Bianca mit einem der
beiden am Fluß traf. Es war Pedro Tercero García, der sich das
Leichenbegängnis seines Großvaters nicht hatte entgehen lassen
wollen und die Soutane dazu benutzt hatte, von Haus zu Haus zu
gehen, mit den Arbeitern zu reden und ihnen zu erklären, die
bevorstehenden Wahlen böten ihnen eine Gelegenheit, das Joch,
unter dem sie seit jeher gelebt hatten, abzuschütteln. Erstaunt
und verwirrt hörten sie ihm zu. Nur die Jüngeren, die ein Radio
hatten und Nachrichten hörten, die manchmal ins Dorf gingen
und mit den Gewerkschaftern sprachen, konnten seinen
Gedanken folgen. Die anderen hörten ihm zu, weil er ein Held
war, der von den Gutsbesitzern verfolgt wurde. Im Grunde
waren sie überzeugt, daß er dummes Zeug redete.
»Wenn der Patron erfährt, daß wir die Sozialisten wählen,
sind wir geliefert«, sagten sie.
»Er kann es nicht erfahren! Die Wahl ist ge heim«, konterte
der falsche Priester.
»Das glaubst du, Pedro«, antwortete Pedro Segundo García,
sein Vater. »Sie sagen, daß die Wahl geheim ist, aber nachher
wissen sie immer, für wen wir gestimmt haben. Und wenn die
von deiner Partei gewinnen, setzen sie uns auf die Straße, und
wir haben keine Arbeit mehr. Ich habe immer hier gelebt. Was
sollte ich tun?«
»Er kann euch nicht alle entlassen, denn wenn ihr geht, hat
der Patron mehr Schaden davon als ihr«, argumentierte Pedro
Tercero.
»Es ist ganz egal, wen wir wählen, sie gewinnen doch
immer.«
»Sie wechseln die Stimmzettel aus«, sagte Bianca, die mit den
Bauern an der Versammlung teilnahm.
»Das können sie diesmal nicht«, sagte Pedro Tercero. »Wir
schicken Leute von der Partei hin, die in den Wahllokalen
aufpassen und nachsehen, ob die Urnen versiegelt sind.«
Aber die Bauern blieben mißtrauisch. Erfahrung hatte sie
gelehrt, daß der Fuchs am Ende immer die Hennen frißt, auch
wenn die aufrührerischen Balladen, die von Mund zu Munde
gingen, das Gegenteil behaupteten. Und in der Tat, als der
Wahlzug der Sozialistischen Partei nach San Lucas kam und sie
sich vom Bahnhof aus den neuen
Weitere Kostenlose Bücher