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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Wenn er ging, klapperte sein
Gerippe wie Kastagnetten, er hatte keine Zähne mehr und
konnte nur noch Kinderbrei essen, er war blind und taub, aber
im Erkennen der Dinge und im Erinnern vergangener Zeiten
versagte er nie. Er starb am Abend in seinem Korbstuhl. Er saß
gern vor der Schwelle seines Häuschens, um den Anbruch der
Nacht zu spüren, den er an feinen Temperaturschwankungen, an
dem Leben im Hof, dem Küchenbetrieb, dem Verstummen der
Hennen erriet. Hier fand ihn der Tod. Zu seinen Füßen war sein
Urenkel, der damals zehnjährige Esteban García, eben dabei,
einem Huhn einen Nagel durch beide Augen zu treiben. Er war
der Sohn von Esteban García, dem einzigen unehelichen Kind
Esteban Truchas, das den Vornamen des Patrons trug,
wenngleich nicht seinen Familiennamen. Niemand erinnerte sich
mehr seiner Herkunft und der Bedeutung seines Vornamens,
außer ihm selbst, denn seine Großmutter, Pancha García, hatte
vor ihrem Tod seine Kindheit mit dem Märchen vergiftet, daß,
wäre sein Vater anstelle von Bianca,
Jaime oder Nicolas
geboren worden, er die Drei Marien geerbt hätte und Präsident
der Republik hätte werden können, wenn er es gewollt hätte. In
dieser Gegend, in der es von unehelichen Kindern und solchen,
die ihren Vater nicht kannten, wimmelte, war er vermutlich der
einzige, der mit einem wahren Haß auf seinen Familiennamen
heranwuchs. Er war geschlagen mit seinem rachsüchtigen Zorn
auf den Patron, seine verführte Großmutter, seinen unehelich
geborenen Vater und sein eigenes, ein für allemal festgelegtes
Schicksal als Bauer. Esteban Trueba machte keinen Unterschied
zwischen ihm und den übrigen Buben des Guts, für ihn war er
ein Kind wie all die anderen, die in der Schule die
Nationalhymne sangen und an Weihnachten Schlange standen,
um ihre Geschenke in Empfang zu nehmen. Er dachte nicht
mehr an Pancha García und den Sohn, den sie ihm geboren
hatte, erst recht nicht an diesen verschlagenen Jungen, der ihn
haßte, ihn aber aus der Ferne beobachtete, um seine
Bewegungen nachzuahmen und seine Stimme zu kopieren.
Nachts lag er wach und dachte sich schreckliche Krankheiten
oder Unfälle aus, die den Patron und alle seine Kinder
hinwegrafften, damit er das Gut erben konnte. Dann machte er
die Drei Marien zu seinem Reich. Diese Phantasien begleiteten
ihn durch sein ganzes Leben, auch als er längst wußte, daß er
auf dem Erbwege niemals etwas bekommen würde. Immer
machte er Trueba seine obskure Existenz zum Vorwurf und
fühlte sich gedemütigt noch in den Tagen, in denen er auf dem
Gipfel der Macht stand und alle in seiner Hand hatte.
    Das Kind merkte, daß mit dem alten Mann etwas geschehen
war. Es ging hin zu ihm, berührte ihn, und der Körper
schwankte. Seine Pupillen waren von dem milchigen Film
überzogen, der ein Vierteljahrhundert lang das Licht von ihnen
abgehalten hatte. Esteban García nahm den Nagel und schickte
sich an, dem Urgroßvater die Augen auszustechen, als Bianca
kam und ihn wegstieß, nicht ahnend, daß dieses mürrische und
boshafte Kind ihr Neffe war und ein paar Jahre später das
Werkzeug einer Tragödie für ihre Familie sein würde.
    »Mein Gott, der arme Alte ist gestorben«, schluchzte sie, über
den zur Winzigkeit geschrumpften Körper des Alten gebeugt,
der ihre Kindheit mit Märchen bevölkert und ihre heimliche
Liebschaft beschützt hatte.
    Die Beerdigung Pedro Garcías des Alten wurde mit einer
dreitägigen Totenwache begangen, bei der auf Befehl von
Esteban Trueba an nichts gespart wurde. Seine Leiche wurde in
einen Sarg aus hellem Fichtenholz gebettet, in den
Sonntagsanzug gekleidet, den er zu seiner Hochzeit getragen
und angelegt hatte, wenn er zum Wählen ging oder an
Weihnachten seine fünfzig Pesos in Empfang nahm. Sie zogen
ihm sein einziges weißes Hemd an, das am Hals viel zu weit
war, banden ihm eine schwarze Krawatte um und steckten ihm
eine rote Nelke ins Knopfloch, wie er selbst es bei festlichen
Anlässen immer getan hatte. Sie banden ihm den Unterkiefer
mit einem Taschentuch fest und setzten ihm seinen schwarzen
Hut auf, weil er oft gesagt hatte, daß er ihn eines Tages
abnehmen wolle, um Gott zu grüßen. Er hatte keine Schuhe,
aber Clara gab ihm ein Paar von
Esteban Trueba, damit alle
sahen, daß er nicht barfuß ins Paradies ging.
    Jean de Satigny war begeistert von diesem Begräbnis. Er holte
eine Kastenkamera mit Dreifuß aus seinem Gepäck und machte
so viele Aufnahmen von dem Toten, daß

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