Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:

Traum.
    In diesen Jahren trennten sich die Wege von Jaime und
Nicolas endgültig, da die Gegensätze zwischen den Brüdern
unvereinbar waren. Nicolas hatte sich in diesen Tagen auf etwas
Neues verlegt, den Flamenco, den er von den Zigeunern in den
Höhlen von Estremadura gelernt zu haben behauptete, obwohl er
in Wirklichkeit sein Land nie verlassen hatte, aber seine
Überredungskraft war so groß, daß selbst seine Familie wankend
zu werden begann. Bei dem geringsten Anlaß erbot er sich,
seine Künste unter Beweis zu stellen. Er sprang auf den großen
Eichentisch im Eßzimmer, ein Erbstück aus der Familie del
Valle, auf dem Jahre zuvor Rosas Sarg gestanden hatte, und
begann wie ein Irrer in die Hände zu klatschen und so lange
krampfhaft zu stampfen, Sprünge zu vollführen und schrille
Schreie auszustoßen, bis er es geschafft hatte, daß alle
Hausbewohner zusammenliefen, dazu ein paar Nachbarn und
gelegentlich einige Gendarmen, die mit gezückten
Schlagstöcken angerannt kamen und mit ihren Stiefeln die
Teppiche beschmutzten, am Ende aber wie alle übrigen Beifall
klatschten und ole schrien. Der Tisch hielt heroisch stand,
obgleich er nach einer Woche einer Schlachtbank glich, auf der
Kälber gevierteilt werden. Der Flamenco war in der damals
noch geschlossenen Gesellschaft der Hauptstadt von keinerlei
praktischem Nutzen, aber
Nicolas gab in der Zeitung eine
diskrete Anzeige auf, in welcher er seine Dienste als Meister in
diesem feurigen Tanz anbot. Am nächsten Tag hatte er eine
Schülerin, und binnen einer Woche hatte sich die Nachricht von
seinem Charme herumgesprochen. Die Mädchen kamen
scharenweise, anfangs verschämt und schüchtern, aber wenn
Nicolas sie herumzuwirbeln, um die Taille zu fassen und mit
seinem Verführerlächeln anzulächeln begann, waren sie im
Handumdrehen begeistert. Die Kurse wurden ein Erfolg. Der
Eßzimmertisch war nahe daran, aus dem Leim zu gehen, Clara
begann über Kopfschmerzen zu klagen, und Jaime schloß sich in
sein Zimmer ein und versuchte, mit Wachskugeln in den Ohren
zu studieren. Als Esteban Trueba erfuhr, was während seiner
Abwesenheit in seinem Hause vorging, packte ihn ein
schrecklicher und gerechter Zorn und er verbot seinem Sohn,
das Haus als Akademie für
Flamenco oder sonstwas zu
benutzen. Nicolas mußte von seinen Körperverrenkungen
Abstand nehmen, doch verhalf ihm das kurze Experiment
immerhin dazu, der populärste junge Mann der Saison zu
werden, König der Feste und aller Frauenherzen, denn während
die anderen studierten, graue, zweireihige Anzüge trugen und
sich die Schnurrbärte nach dem Takt der Boleros strichen,
predigte er die freie Liebe, zitierte Freud, trank Pernod und
tanzte Flamenco. Der gesellschaftliche Erfolg verminderte
jedoch nicht im geringsten sein Interesse an den
Psychofertigkeiten seiner Mutter. Vergebens versuchte er, es ihr
gleichzutun. Er studierte heftig, praktizierte mit einer
Leidenschaftlichkeit, die seine Gesundheit in Gefahr brachte,
und nahm regelmäßig an den Freitagssitzungen mit den
Schwestern Mora teil, trotz des ausdrücklichen Verbots seines
Vaters, der dabei blieb, Spiritismus sei nichts für Männer. Clara
suchte ihn über seine Mißerfolge zu trösten.
    »Das lernt man nicht und man erbt es nicht, Nicolas«, sagte
sie, wenn sie ihn schielen sah vor übermäßiger Anstrengung, das
Salzfaß ohne Berührung in Gang zu setzen.
    Die drei Schwestern Mora liebten ihn. Sie liehen ihm okkulte
Bücher, sie halfen ihm, die Schlüssel für Horoskope und
Wahrsagekarten zu lesen. Sie setzten sich, an den Händen
gefaßt, um ihn herum, um wohltätige
Fluida auf ihn zu
übertragen, aber auch das reichte nicht aus, um Nicolas mit
mentalen Kräften zu begaben. Sie leisteten ihm auch
Schützenhilfe bei seiner Liebschaft mit Amanda. Anfangs
schien das junge Mädchen von den dreibeinigen Tischen ebenso
wie von den langmähnigen Künstlern im Haus fasziniert zu sein,
aber bald wurde sie es müde, Gespenster zu beschwören und die
Verse des Dichters zu rezitieren, dessen Gedichte von Mund zu
Mund gingen. Sie begann, als Reporterin für eine Zeitung zu
arbeiten.
»Ein Schwindlerberuf«, befand
Esteban Trueba, als er es
erfuhr.
    Trueba brachte keine Sympathie für sie auf. Er sah sie ungern
in seinem Haus. Er fand, sie übe einen schlechten Einfluß auf
seinen Sohn aus, hatte die Vorstellung, ihr langes Haar, ihre
Augenschatten und ihre Glasperlenketten seien Symptome eines
geheimen Lasters, und

Weitere Kostenlose Bücher