Das Geisterhaus
niemand den Bauch der Braut
bemerkte. Der einzige, der ihn bei seinen Plänen unterstützte,
war Jean de Satigny.
An dem Tag, an dem Esteban Trueba seine Tochter rief, um
sie zur Anprobe des Brautkleides zum Schneider zu schicken,
sah er sie zum erstenmal seit der Prügelnacht. Er erschrak bei
ihrem Anblick: sie war dick und hatte Flecken im Gesicht.
»Ich heirate nicht, Vater«, sagte sie.
»Schweigen Sie«, brüllte er. »Sie werden heiraten, weil ich in
meiner Familie keine Bastarde wünsche, hören Sie?«
»Ich denke, wir haben schon einige«, antwortete sie.
»Keine Widerrede! Sie sollten wissen, daß Pedro Tercero
García tot ist: ich habe ihn mit eigenen Händen umgebracht.
Also vergessen Sie ihn und versuchen Sie dem Mann, der Sie
zum Altar führt, eine würdige Frau zu werden.«
Bianca begann zu weinen und weinte in den folgenden Tagen
unaufhörlich.
Die Ehe, die Bianca nicht wünschte, wurde in der Kathedrale
geschlossen, mit bischöflichem Segen und in einem königlichen
Kleid vom besten Schneider in Chile, der Wunder vollbracht
hatte, um den vorspringenden Bauch der Braut unter einem
Geriesel von Blumen und griechischrömischen Faltenwürfen zu
verbergen. Höhepunkt der Hochzeit war ein spektakuläres Fest
mit fünfhundert Gästen in großer Gala, die in das große Eckhaus
einfielen, animiert von den Klängen eines Orchesters aus
käuflichen Musikern und angelockt von einem skandalösen
Aufwand an Rinderbraten in feinsten Krautern, frischen
Schalentieren, baltischem Kaviar, norwegischem Lachs,
getrüffeltem Geflügel, Strömen von exotischen Likören und
endlos sprudelndem Champagner, einer verschwenderischen
Fülle von Süßigkeiten, Windbeuteln, Blätterteiggebäck, Eclairs
und Sandkuchen, großen Kristallschalen voll kandierter Früchte,
Erdbeeren aus Argentinien, Kokosnüssen aus Brasilien, Papayas
aus Chile, Ananas aus Kuba und anderen, unmöglich zu
erinnernden Köstlichkeiten auf einem langen Tisch, der sich
durch den ganzen Garten zog und an dessen Ende eine
überdimensionale Torte stand, von einem aus Neapel
stammenden, mit Jean de Satigny befreundeten Künstler
geschaffen, der die bescheidenden Materialien Eier, Mehl und
Zucker in eine Replik der Akrapolis verwandelt und ihr eine
Meringenwolke aufgesetzt hatte, auf der ein mythologisches
Liebespaar ruhte, Venus und
Adonis aus Marzipan, das
verschieden gefärbt war, um den rosigen Fleischton, das Blond
der Haare, das Kobaltblau der Augen wiederzugeben, und neben
dem Liebespaar stand ein dicklicher, ebenfalls eßbarer Cupido,
der von dem stolzen Bräutigam und der trostlosen Braut mit
dem Messer entzweigeschnitten wurde.
Clara, die sich von Anfang an der Idee widersetzt hatte,
Bianca gegen ihren Willen zu verheiraten, beschloß, an dem
Fest nicht teilzunehmen. Triste Vorhersagen für das Brautpaar
erarbeitend, die, wie alle später feststellen konnten, genauestens
eintrafen, blieb sie in ihrem Nähzimmer, bis ihr Mann kam und
sie anflehte, sich umzuziehen und im Garten zu erscheinen, sei
es auch nur für einen Augenblick, um dem Getuschel der Gäste
den Grund zu entziehen. Clara tat es widerwillig, aber ihrer
Tochter zuliebe setzte sie ihre Zähne ein und gab sich Mühe,
alle Anwesenden anzulächeln.
Jaime kam erst am Ende des Festes, weil er im
Armeekrankenhaus zu tun hatte. Nicolas erschien in Begleitung
der schönen Amanda, die soeben Sartre entdeckt und die düstere
Aufmachung der europäischen Existentialisten übernommen
hatte, ganz in Schwarz gekleidet war, bleich, die braunen Augen
mit Kajal geschminkt, das schwarze, bis an die Taille reichende
Haar offen, dazu ein Klirren von Halsketten, Armreifen und
Ohrringen, das die Gemüter erregte, wenn sie vorüberging.
Nicolas seinerseits war ganz in Weiß, wie ein Krankenwärter,
und hatte Amulette am Hals hängen. Sein Vater ging ihm
entgegen, nahm ihn am Arm und schleppte ihn in ein
Badezimmer, wo er ihm rücksichtslos die Talismane abriß.
»Gehen Sie auf Ihr Zimmer und binden Sie sich eine
anständige Krawatte um! Dann kommen Sie wieder zum Fest
und benehmen sich wie ein Caballero! Und unterstehen Sie sich
nicht, den Gästen irgendeine häretische Religion zu predigen!
Und sagen Sie dieser Hexe, die Sie mitgebracht haben, sie soll
ihren Ausschnitt gefälligst zumachen«, befahl Esteban seinem
Sohn.
Nicolas gehorchte unwillig. Im Prinzip war er Abstinenzler,
aber aus Wut trank er ein paar Gläser, verlor den Kopf und
sprang angekleidet, wie
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