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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hielt ihre Neigung, die Schuhe
auszuziehen und sich wie eine Eingeborene mit gekreuzten
Beinen auf den Boden zu setzen, für Mannweibmanieren.
    Amandas Weltanschauung war tief pessimistisch, und um ihre
Depressionen zu ertragen, rauchte sie Haschisch. Nicolas leistete
ihr dabei Gesellschaft. Clara merkte zwar, daß ihrem Sohn
manchmal hundeelend war, aber nicht einmal ihre phantastische
Intuition verhalf ihr zu der Erkenntnis, daß die orientalischen
Pfeifen, die Nicolas rauchte, etwas mit seinen irren Reden,
seiner gelegentlich auftretenden Schläfrigkeit und seinen
grundlosen Heiterkeitsanfällen zu tun haben könnten, weil sie
weder von dieser noch von einer anderen Droge je hatte
sprechen hören.
    »Das hängt mit seinem Alter zusammen und wird sich
geben«, sagte sie, wenn sie ihn wie einen Schlafwandler
herumtorkeln sah, ohne zu bedenken, daß Jaime am selben Tag
wie er zur Welt gekommen war und keine dieser seltsamen
Ausbrüche hatte.
    Jaimes Verrücktheiten waren von ganz anderer Art. Er hatte
eine Berufung zu Aufopferung und Entsagung. In seinem
Schrank lagen nur drei Hemden und zwei Paar Hosen. Clara
strickte den ganzen Winter über gewöhnliches Wollzeug, damit
er warm ange zogen war, aber er trug die Sachen nur so lange,
bis ein anderer, Bedürftigerer, vor ihm stand. Alles Geld, das
ihm sein Vater gab, landete in den Taschen der Armen, die er im
Krankenhaus behandelte. Jedesmal, wenn ihm ein
halbverhungerter Hund auf der Straße nachlief, brachte er ihn
nach Hause mit, und wenn er von der Existenz eines verlassenen
Kindes, einer ledigen Mutter oder einer invaliden alten Frau
erfuhr, die seiner Hilfe bedurften, kam er mit ihnen an, damit
seine Mutter ihre Probleme löste. Clara wurde eine Expertin in
Armenpflege, sie kannte alle staatlichen und alle kirchlichen
Einrichtungen, bei denen sie ihre glücklosen Schützlinge
unterbringen konnte, und wenn alles fehlschlug, nahm sie sie in
ihrem Haus auf. Bei ihren Freundinnen war sie gefürchtet, weil
sie immer nur zu Besuch kam, wenn sie eine Bitte an sie zu
richten hatte. So erweiterte sich das Netz von Claras und Jaimes
Schützlingen, und da beide über die Menschen, denen sie halfen,
nicht Buch führten, waren sie oft erstaunt, wenn jemand kam
und sich bei ihnen für einen Gefallen bedankte, den sie sich
nicht erinnerten erwiesen zu haben.
Jaime betrieb seine
medizinischen Studien mit religiöser Inbrunst. Jede Ablenkung,
die ihn seinen Büchern entzog oder ihn Zeit kostete, empfand er
als einen Verrat an der Menschheit, der zu dienen er geschworen
hatte. »Dieses Kind hätte Pfarrer werden sollen«, sagte Clara.
Für Jaime, den die Gelübde der Demut, der Armut und der
Keuschheit nicht gestört hätten, war die Religion an der Hälfte
allen Unglücks auf der Welt schuld, so daß er wütend wurde,
wenn seine Mutter solche Ansichten äußerte. Wie fast jeder
Aberglaube mache das Christentum den Menschen schwächer
und fügsamer, sagte er, aber die Menschen sollten nicht auf eine
Belohnung im Himmel warten, sond ern auf Erden um ihre
Rechte kämpfen. Diese Dinge diskutierte er nur mit seiner
Mutter, denn mit seinem Vater, der schnell die Geduld verlor
und Gespräche mit Schreien und Türenknallen beendete, konnte
er es nicht. Er habe es satt, unter lauter Verrückten zu leben,
sagte Trueba, das einzige, was er sich wünsche, sei ein bißchen
Normalität, aber er habe das Pech gehabt, eine Exzentrikerin zu
heiraten und mit ihr drei übergeschnappte Taugenichtse zu
zeugen, die ihm das Leben sauer machten. Jaime diskutierte
nicht mit seinem Vater. Er schlich wie ein Schatten durchs
Haus, gab seiner Mutter einen zerstreuten Kuß, wenn er sie sah,
ging direkt in die Küche, um im Stehen die Überreste der
anderen zu essen, und schloß sich in sein Zimmer ein, um zu
lesen oder zu studieren. Sein Schlafzimmer war ein
Büchertunnel, an allen Wänden standen Regale, vom Boden bis
zur Decke, brechend voll mit Büchern, die niemand abstaubte,
weil er seine Tür abzuschließen pflegte. Es waren ideale
Niststätten für Spinnen und Mäuse. In der Mitte des Raums
stand sein Bett, eine Art Rekrutenpritsche, beleuchtet nur von
einer Glühbirne, die über dem Kopfende von der Decke
herabhing. Während eines Erdbebens, das Clara vorherzusagen
vergessen hatte, erscholl plötzlich ein Getöse wie von einem
entgleisenden Zug, und als man die Tür aufmachte, sah man das
Bett unter einem Berg von Büchern begraben. Die Regale hatten

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