Das Geisterhaus
blauer Seide tapezierte
Zimmer geführt und auf das Fell von Barrabas gestellt hatte. Er
lächelte bei der Erinnerung.
»Entschuldige, Clara«, sagte er, wie ein Schuljunge errötend.
»Ich fühle mich allein, und ich habe Angst. Ich würde gern
einen Augenblick hier bleiben, wenn es dir nichts ausmacht.«
Clara lächelte ebenfalls, sagte aber nichts. Sie deutete auf den
Sessel, und Esteban setzte sich. Eine Weile saßen sie sich
schweigend gegenüber, sich in den Teller Kekse teilend, und
betrachteten sich verwundert, weil sie schon so lange unter
demselben Dach wohnten, ohne sich zu sehen.
»Ich nehme an, du weißt, was mich quält«, sagte Esteban
Trueba endlich.
Clara nickte.
»Glaubst du, daß ich gewählt werde?«
Clara nickte abermals, und Trueba fühlte sich so vollständig
erleichtert, als hätte sie ihm eine schriftliche Garantie gegeben.
Er lachte laut und fröhlich, erhob sich, faßte sie bei den
Schultern und küßte sie auf die Stirn.
»Du bist fabelhaft, Clara! Wenn du es sagst, werde ich
Senator«, rief er aus.
Seit dieser Nacht nahm die Feindseligkeit zwischen beiden ab.
Clara richtete auch künftig nicht das Wort an ihn, aber er
überspielte ihr Schweigen, indem er ganz normal mit ihr sprach
und noch ihre geringsten Gesten als Antwort deutete. Notfalls
bediente sich Clara der Dienstboten oder ihrer Kinder, um ihm
eine Botschaft zukommen zu lassen. Sie sorgte für das
Wohlergehen ihres Mannes, sie unterstützte ihn bei seiner Arbeit
und begleitete ihn auf Veranstaltungen, wenn er sie darum bat.
Manchmal schenkte sie ihm ein Lächeln.
Zehn Tage später wurde Esteban Trueba zum Senator der
Republik gewählt, wie Clara es vorausgesagt hatte. Zur Feier
des Ereignisses gab er seinen Freunden und Parteigängern ein
Fest, seinen Angestellten und den Hintersassen auf den Drei
Marien eine Gratifikation in bar, und Clara legte er, mit einem
Veilchensträußchen, eine Smaragdkette aufs Bett. Clara begann
auf Empfängen und politischen Festakten zu erscheinen, wo ihre
Anwesenheit nötig war, damit ihr Mann dem Bild des biederen,
umgänglichen Mannes entsprach, das dem Publikum und der
Konservativen Partei gefiel. Zu diesen Gelegenheiten setzte sie
sich die Zähne ein und legte auch diesen oder jenen Schmuck
an, den Esteban ihr geschenkt hatte. Sie galt als die eleganteste,
diskreteste und bezauberndste Frau ihres Gesellschaftskreises,
und niemand hätte vermutet, daß diese mustergültigen Eheleute
niemals miteinander sprachen.
Mit Truebas neuer Stellung stieg die Zahl der Personen, die
im großen Eckhaus bewirtet wurden. Clara führte nicht Buch,
weder über die Mäuler, die sie stopfen mußte, noch über die
Ausgaben für den Haushalt. Alle Rechnungen gingen direkt in
das Arbeitszimmer des Senators im Kongreß, und Trueba zahlte,
ohne Fragen zu stellen, weil er entdeckt hatte, daß sein
Vermögen desto größer zu werden schien, je mehr er ausgab,
und zu dem Schluß gekommen war, daß, wenn jemand ihn
zugrunde richten konnte, dann sicher nicht Clara mit ihrer
unterschiedslosen Gastlichkeit und ihren Wohltätigkeitswerken.
Anfangs betrachtete er die Macht als ein neues Spielzeug. Er
hatte die reifen Jahre als der reiche und geachtete Mann erreicht,
der zu werden er sich geschworen hatte, als er noch der arme
junge Mann ohne Beziehungen war, der kein anderes Kapital als
seinen Stolz und seinen Ehrgeiz besaß. Doch bald wurde ihm
klar, daß er so einsam war wie eh und je. Seine Söhne mieden
ihn, und zu Bianca hatte er keinen Kontakt mehr. Er wußte von
ihr nur, was ihre Brüder ihm gelegentlich von ihr erzählten, und
begnügte sich, ihr jeden Monat, entsprechend der Abmachung,
die er mit Jean de Satigny getroffen hatte, einen Scheck zu
schicken. Seinen Söhnen stand er so fern, daß er kein Gespräch
mit ihnen führen konnte, das er nicht brüllend beendete. Von
den Verrücktheiten seines Sohnes Nicolas erfuhr Trueba erst, als
es zu spät war, das heißt, als bereits alle Welt darüber redete.
Ebensowenig wußte er von dem Leben, das Jaime führte. Hätte
er geahnt, daß er sich mit Pedro Tercero García traf, dem er mit
der Zeit eine brüderliche Zuneigung entgegenbrachte, hätte ihn
vermutlich der Schlag getroffen, aber Jaime hütete sich, seinem
Vater davon zu sprechen.
Pedro Tercero García hatte die Drei Marien verlassen. Nach
der schrecklichen Begegnung mit dem Patron nahm ihn Pater
José Dulce Maria im Pfarrhaus auf und kurierte seine Hand.
Doch
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