Das Geisterhaus
würden. Die Gringoärzte maßen seinen Körper, prüften
eins ums andere alle seine Organe, befragten ihn auf englisch,
injizierten ihm Flüssigkeit mit der einen und extrahierten sie mit
der ändern Nadel, fotografierten ihn, drehten ihn um wie einen
Handschuh und steckten ihm sogar eine Lampe in den After.
Am Ende kamen sie zu dem Schluß, daß er sich das alles nur
einbilde, er solle nicht mehr daran denken, daß er schrumpfe, er
habe immer die gleiche Größe gehabt und nur geträumt, er sei
einmal einsachtzig groß gewesen und habe Schuhnummer
zweiundvierzig getragen. Schließlich riß
Esteban Trueba die
Geduld, er fuhr heim in sein Vaterland, entschlossen, dem
Problem seiner Körpergröße keine Aufmerksamkeit mehr zu
schenken, schließlich waren alle großen Politiker der
Geschichte, von Napoleon bis Hitler, klein gewesen. Als er zu
Hause ankam, sah er Miguelito im Garten spielen und Amanda,
dünner und hohläugiger denn je und bar aller Halsketten und
Armreife, mit Jaime auf der Terrasse sitzen. Er stellte keine
Fragen, weil er es längst gewohnt war, daß Leute, die nicht zu
seiner Familie gehörten, unter seinem Dach lebten.
Achtes Kapitel
Der Graf
Dieser Zeitabschnitt wäre im Wust alter, undeutlicher
Erinnerungen für immer untergegangen, wären nicht die Briefe
gewesen, die Clara und Bianca sich schrieben. Durch diese
umfängliche Korrespondenz blieben die Ereignisse aufbewahrt,
entzogen der Nebelhaftigkeit unwahrscheinlicher Tatsachen.
Vom ersten Brief an, den sie nach der Hochzeit von ihrer
Tochter bekam, ahnte Clara, daß die Trennung von Bianca nicht
von Dauer sein würde. Ohne es irgendwem zu sagen, richtete sie
eines der sonnigsten und größten Zimmer im Haus für sie her
und stellte dort die Messingwiege auf, in der sie ihre drei Kinder
aufgezogen hatte.
Bianca konnte ihrer Mutter nie erklären, warum sie in die
Heirat eingewilligt hatte, weil sie selbst die Gründe nicht kannte.
Später, als reife Frau, kam sie beim Überdenken ihrer
Vergangenheit zu dem Schluß, daß die Angst vor ihrem Vater
die Hauptursache gewesen sei. Schon als Säugling hatte sie die
irrationale Macht seines Zorns kennengelernt und sich
angewöhnt zu gehorchen. Ihre Schwangerschaft und die
Nachricht, Pedro Tercero sei tot, hatten dann den Ausschlag
gegeben. Doch schon in dem Augenblick, in welchem sie in die
Verbindung mit Jean de Satigny einwilligte, nahm sie sich vor,
die Ehe niemals zu vollziehen. Sie würde Einwände aller Art
erfinden, um den Beischlaf aufzuschieben, könnte als erstes die
bei ihrem Zustand üblichen Beschwerden vorschieben und
würde sich dann andere Gründe ausdenken. Sie war sicher, daß
einen Mann wie den Grafen zu manipulieren, der
Wildlederschuhe trug, sich die Nägel lackierte und bereit war,
eine von einem anderen geschwängerte Frau zu heiraten,
wesentlich leichter sein würde, als sich gegen einen Vater wie
Esteban Trueba durchzusetzen. Sie wählte von zwei Übeln
dasjenige, das ihr als das kleinere erschien. Sie war sich darüber
im klaren, daß zwischen ihrem Vater und dem französischen
Grafen eine geschäftliche Abmachung bestand, bei der sie nicht
mitzureden hatte. Im Tausch gegen einen Namen für seinen
Enkel gab Trueba Jean de Satigny eine saftige Mitgift und das
Versprechen, er würde eines Tages ein Erbe antreten. Bianca
gab sich für diesen Handel her, aber ihrem Mann ihre Liebe zu
schenken oder ihm ihre Intimität auszuliefern, dazu war sie nicht
bereit, weil sie immer noch Pedro Tercero García liebte, wenn
auch vielleicht mehr durch die Macht der Gewohnheit als in der
Hoffnung, ihn jemals wiederzusehen.
Bianca und ihr frischgebackener Ehemann verbrachten ihre
erste Nacht im Brautzimmer des besten Hotels der Hauptstadt,
das Trueba mit Blumen hatte vollstopfen lassen, damit seine
Tochter ihm die Gewaltakte verzieh, mit denen er sie in den
letzten Monaten gezüchtigt hatte. Zu ihrer Überraschung
brauchte Bianca keine Migräne vorzutäuschen, denn kaum war
sie mit Jean allein, verzichtete dieser auf die Rolle des verliebten
Bräutigams, der ihr Küßchen auf den Hals gab und die
schönsten Langusten für sie auswählte, um sie ihr
häppchenweise in den Mund zu füttern, und schien das
verführerische Benehmen eines Stummfilmhelden vergessen zu
haben, um wieder ganz der Bruder zu werden, der er auf den
Feldspaziergängen für sie gewesen war, wenn sie, den
Fotoapparat und die französischen Bücher neben sich, im Grase
vesperten.
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