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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Jaime, der
im Krankenhaus einige Geburten miterlebt hatte, half ihr heraus,
indem er sie mit der rechten Hand fest an den Hinterbacken
faßte, während er mit den Fingern der linken im Dunkeln nach
ihrem Hals tastete, um die Nabelschnur zu lockern, die sie
strangulierte. Unterdessen drückte Amanda, die auf den Lärm
hin herbeigelaufen war, mit dem ganzen Gewicht ihres Körpers
auf Biancas Bauch, während Clara, über das leidende Gesicht
ihrer Tochter gebeugt, ihr ein Teesieb, mit einem Stück Stoff
ausgeschlagen, durch das ein paar Tropfen Äther sickerten, an
die Nase hielt. Alba kam rasch. Jaime nahm ihr die Nabelschnur
vom Hals, hielt sie kopfunter in die Luft und führte sie mit zwei
klatschenden Schlägen in die Leiden des Lebens und die
Atemtechnik ein, aber Amanda, die über die Sitten afrikanischer
Stämme gelesen hatte und die Rückkehr zur Natur predigte, riß
ihm das Neugeborene aus der Hand und legte es liebevoll auf
den warmen Bauch seiner Mutter, wo es für das traurige Los,
geboren zu werden, einigen Trost fand. Nackt und umschlungen
pflegten Mutter und Tochter der Ruhe, während die anderen die
Spuren der Geburt beseitigten und mit dem Wechseln der
Bettwäsche und den ersten Windeln beschäftigt waren. In der
allgemeinen Aufregung bemerkte niemand die halb
offenstehende Tür des Schranks, in welchem der kleine Miguel,
starr vor Angst, die Szene beobachtete und sich der Anblick der
von Adern durchzogenen und einem vorstehenden Nabel
gekrönten Riesenkugel, aus der dieses violette, in fürchterliches
blaues Gedärm verwickelte Wesen hervorkroch, für alle Zeiten
in sein Gedächtnis eingrub.
    In die Register des Standesamts und der Pfarrei wurde Alba
auf den französischen Namen ihres Vaters eingetragen, aber sie
benützte ihn später nie, weil der ihrer Mutter so viel leichter zu
buchstabieren war. Ihr Großvater, Esteban Trueba, billigte diese
schlechte Angewohnheit nie, er habe sich weiß Gott redlich
geplagt, sagte er bei jeder Gelegenheit, die sie ihm dazu gaben,
damit Alba einen bekannten Vater und einen achtbaren Namen
habe und nicht den der Mutter benützen müsse, als ob sie ein
Kind der Schande und der Sünde wäre. Er ließ auch nicht zu,
daß die rechtmäßige Vaterschaft des Grafen in Zweifel gezogen
würde, und hoffte weiter wider alle Logik, daß sich früher oder
später das elegante Benehmen und der feine Zauber des
Franzosen an der still und täppisch durch sein Haus wandernden
Enkelin bemerkbar machen würden. Auch Clara brachte die
Angelegenheit nicht mehr zur Sprache, bis zu jenem Tag, sehr
viel später, als sie das kleine Mädchen zwischen den
zerfallenden Götterstatuen im Garten spielen sah und ihr bewußt
wurde, daß es keinem in der Familie und am wenigsten Jean de
    Satigny ähnlich sah.
»Von wem sie nur diese altersweisen Augen hat?« fragte die
Großmutter.
»Die Augen hat sie vom Vater«, antwortete Bianca zerstreut.
»Pedro Tercero García, nehme ich an«, sagte Clara.
»Mhm«, nickte Bianca.
Es war das einzige Mal, daß Albas Abstammung im Kreis der
Familie erwähnt wurde, denn da Jean de Satigny praktisch aus
ihrer aller Leben verschwunden war, kam der Sache keine
Bedeutung mehr zu, wie Clara in ihren Heften vermerkte. Sie
hörten nichts mehr vom Grafen, und keiner machte sich die
Mühe, seinen Aufenthaltsort festzustellen, nicht einmal, um die
Situation von Bianca zu legalisieren, die sich die Freiheiten
einer Ledigen nicht nehmen konnte und allen Beschränkungen
einer verheirateten Frau unterworfen war, aber keinen Mann
hatte. Alba sah nie ein Bild des Grafen, weil ihre Mutter keinen
Winkel des Hauses undurchstöbert gelassen und nicht geruht
hatte, bis alle Fotos von ihm vernichtet waren, selbst die, auf
denen sie am Tag ihrer Hochzeit an seinem Arm ging. Sie hatte
beschlossen, den Mann, den sie geheiratet hatte, zu vergessen
und so zu tun, als habe er nie existiert. Sie sprach nicht mehr
von ihm und gab auch keine Erklärung für ihre Flucht aus dem
gemeinsamen Domizil. Clara, die neun Jahre lang stumm
gewesen war und die Vorzüge des Schweigens kannte, stellte
ihrer Tochter keine Fragen und half ihr dabei, die Erinnerung an
Jean de Satigny zu löschen. Alba sagten sie, ihr Vater sei ein
edler, kluger und vornehmer Kavalier gewesen, der das Pech
gehabt habe, im Norden des Landes in der Wüste an Fieber zu
sterben. Es war eine der wenigen Schwindelgeschichten, die sie
in ihrer Kindheit hinnehmen mußte, denn bei allem übrigen

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