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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Blätter hängen und sonderte am Stamm ein weißliches
Weinen ab, eine Art Milchtränen. Alba ging nicht zur Schule,
weil ihre Großmutter sagte, daß jemand, der so sehr von den
Sternen begünstigt war wie sie, mehr als Lesen und Schreiben
nicht zu können brauchte, und das könne sie auch im Haus
lernen. Sie beeilte sich derart, es ihr beizubringen, daß Alba mit
fünf Jahren vor dem Frühstück die Zeitung las, um die
Nachrichten mit ihrem Großvater kommentieren zu können, und
mit sechs hatte sie die magischen Bücher in den verwunschenen
Koffern des Onkels Marcos entdeckt und fuhr voll in die
unwiederbringliche Welt der Phantasie ab. Auch um ihre
Gesundheit machten sich die Frauen keine Sorgen, da sie an den
Nutzen von Vitaminen nicht glaubten, und Impfungen, wie sie
sagten, nur für Hühner gut seien. Außerdem untersuchte ihre
Großmutter die Linien ihrer Hand und sagte, daß sie eine eiserne
Gesundheit und ein langes Leben haben würde. Was endlich ihr
Äußeres betraf, so war die einzige Pflege, die man ihm
angedeihen ließ, das Kämmen mit Bayrum, um den
dunkelgrünen Ton, den ihr Haar schon bei der Geburt hatte, zu
mildern, obwohl Senator Trueba sagte, man solle es lassen, wie
es war, denn Alba sei die einzige, die etwas von der schönen
Rosa geerbt habe, wenn auch leider nur die meerpflanzenhafte
Haarfarbe. Ihr zuliebe verzichtete Alba als Halbwüchsige auf die
Verwandlungskünste des Bayrum und spülte ihr Haar mit
Petersiliensud, was dem Grün gestattete, wieder in seiner ganzen
Laubhaftigkeit hervorzutreten. Alles andere an ihrer Person war
unscheinbar, im Unterschied zu der Mehrzahl der Frauen ihrer
Familie, die fast ausnahmslos herrlich waren.
In den seltenen Augenblicken, in denen Bianca Muße hatte,
über sich und ihre Tochter nachzudenken, bedauerte sie, daß
dieses stille und einsame Kind ohne gleichaltrige Spielgefährten
aufwuchs. In Wirklichkeit fühlte sich Alba nicht allein, im
Gegenteil, manchmal wäre sie glücklich gewesen, wenn sie der
Hellsichtigkeit ihrer Großmutter, der Intuition ihrer Mutter und
dem Trubel extravaganter Leute, die im großen Eckhaus
unaufhörlich erschienen, verschwanden und wiederkehrten,
hätte entgehen können. Bianca machte sich auch darüber
Sorgen, daß ihre Tochter nicht mit Puppen spielte, aber Clara
kam ihrer Enkelin mit dem Argument zu Hilfe, daß diese
kleinen Porzellanleichen mit ihrem Augenklappern und ihrem
pervers gekräuselten Mund ekelhaft seien. Aus den Resten der
Wolle, mit der sie die Armen bestrickte, bastelte sie ihr
eigenhändig ein paar unförmige Gestalten. Es waren Geschöpfe,
die nichts Menschliches hatten, weshalb es leichter war, sie
schlafen zu legen, auf den Armen zu wiegen, zu baden und dann
auf den Müll zu werfen. Der Lieblingsspielplatz des kleinen
Mädchens war der Keller. Wegen der Ratten hatte
Esteban
Trueba befohlen, die Tür mit einem Balken zu verrammeln, aber
Alba rutschte kopfüber durch eine Luke und landete geräuschlos
in diesem Paradies der vergessenen Gegenstände. Der Raum lag
in ewigem Halbdunkel und war, wie eine versiegelte Pyramide,
gegen jede Abnutzung durch die Zeit geschützt. Hier häuften
sich die ausrangierten Möbel, Werkzeuge zu unbegreiflichen
Zwecken, ausgeleierte Maschinen, Trümmer des Covadonga,
des prähistorischen Autos, das ihre Onkel
auseinandergenommen hatten, um es in einen Rennwagen
umzuwandeln, und das hier seine Tage als Schrott beschloß. Das
alles diente Alba dazu, in den Winkeln Häuschen zu bauen. Es
gab Truhen und Koffer voll alter Kleider, die sie zur
Inszenierung ihrer einsamen Theateraufführungen benutzte, und
ein trauriges, schwarzes mottenzerfressenes Fell mit einem
Hundekopf, das wie ein klägliches Tier mit abgespreizten
Beinen aussah, wenn man es auf den Boden legte. Es war die
letzte, schmähliche Spur des getreuen Barrabas.
Zu Weihnachten machte Clara ihrer Enkelin einmal ein
fabelhaftes Geschenk, das zuzeiten die gleiche Anziehungskraft
auf sie ausübte wie der Keller: eine Schachtel mit Farbtöpfen
und Pinseln, dazu eine kleine Leiter und die Erlaubnis, die
größte Wand ihres Zimmers nach Lust und Laune zu bemalen.
»Da kann sie sich austoben«, sagte Clara, als sie Alba auf den
höchsten Sprossen der Leiter balancieren sah, um dicht unter der
Decke einen Zug voll Tiere zu malen.
Im Verlauf der Jahre legte Alba auf dieser und den anderen
Wänden ihres Zimmers ein riesiges Fresko an, auf dem inmitten
einer zauberischen Flora und einer unmöglichen

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