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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Wasser des gesellschaftlichen
Lebens und die anderen, überraschenden, ihres spirituellen
Weges. Mit dem Alter und durch Übung verstärkten sich Claras
Fähigkeiten, Verborgenes zu erraten und Gegenstände aus der
Entfernung in Bewegung zu setzen. In ihren exaltierten
Gemütszuständen war es ihr ein Leichtes, sich in Trance zu
versetzen, und dann konnte sie, auf einem Stuhl sitzend, durchs
ganze Haus fahren, als wäre unter dem Sitz ein Motor versteckt.
In diesen Tagen beglich ein hungernder junger Künstler, der aus
Barmherzigkeit im Haus aufgenommen worden war, die ihm
erwiesene Gastfreundschaft dadurch, daß er Clara malte. Es ist
das einzige Bild, das von ihr existiert. Viele Jahre später wurde
aus dem notleidenden Künstler ein Meister, und heute hängt das
Bild wie so viele andere Kunstwerke, die das Land verließen zu
einer Zeit, da man seine Möbel verkaufen mußte, um die
Verfolgten durchzufüttern, in einem Londoner Museum. Auf
dem Ölgemälde ist eine reife Frau zu sehen, weiß gekleidet, mit
silbrigem Haar, auf dem Gesicht den sanften Ausdruck einer
Trapezkünstlerin. Sie ruht in einem Schaukelstuhl, der über dem
Boden schwebt, wiegt sich zwischen geblümten Vorhängen,
einem umgekehrt fliegenden Krug und einem dicken schwarzen
Kater, der wie ein großmächtiger Herr dasitzt und zuschaut. Von
Chagall beeinflußt, sagt der Museumskatalog, aber das stimmt
nicht. Das Bild entspricht genau der Wirklichkeit, die der
Künstler im Hause Claras erlebt hat. Es war die Zeit, da sich die
okkulten Kräfte der menschlichen Natur und die gute Laune
Gottes noch ungestraft auswirkten und unter den Gesetzen der
Physik sowohl als auc h der Logik Notstand und Bestürzung
auslösten. Claras Kommunikationen mit den umherirrenden
Seelen und den Außerirdischen liefen über Telepathie, Träume
und ein Pendel, das sie zu diesem Zweck über ein ordentlich auf
den Tisch gelegtes Alphabet hielt. Die autonomen Bewegungen
des Pendels bezeichneten die Buchstaben und bildeten auf
spanisch und esperanto die Botschaften, wodurch bewiesen war,
daß diese beiden die einzigen Sprachen sind, die für Wesen aus
anderen Regionen von Interesse sind, und nicht das Englische,
wie Clara an die Botschafter der englischsprachigen Mächte
schrieb, die ihre Briefe nie beantworteten, ebensowenig wie die
diversen Erziehungsminister, an die sie sich wandte, um ihnen
auseinanderzusetzen, daß man, statt in den Schulen Englisch
und Französisch zu unterrichten, diese Sprachen der Matrosen,
Händler und Wucherer, die Kinder lieber dazu anhalten sollte,
Esperanto zu lernen.
Alba verbrachte ihre Kindheit zwischen vegetarischer Kost,
Kriegskünsten aus
Nippon, tibetanischen Tänzen, YogaAtmung, Entspannungs- und Konzentrationsübungen nach
Professor Hausser und vielen anderen interessanten Techniken,
die Beiträge nicht eingerechnet, die ihre beiden Onkel und die
drei Schwestern
Mora zu ihrer Erziehung leisteten. Ihre
Großmutter Clara brachte es fertig, diesen riesigen
Zigeunerwagen voll Halluzinierter, in den sich das Haus
verwandelt hatte, in Fahrt zu halten, obgleich sie selbst keine
Begabung zum Haushalt hatte und die vier Rechenarten so sehr
verachtete, daß sie das Addieren vergaß, so daß ganz
natürlicherweise Haushaltung und Buchführung in die Hände
Biancas übergingen, die ihre Zeit aufteilte zwischen den
Aufgaben eines Haushofmeisters in diesem Miniaturstaat und
ihrer Keramikwerkstatt im hintersten
Patio, dem letzten
Refugium für ihren Kummer, wo sie mongoloide Kinder und
müßige Señoritas unterrichtete und ihre unglaublichen, mit
Monstern bestückten Krippen herstellte, die sich wider alle
Logik wie frische Brötchen verkauften.
Von klein auf war Alba dafür verantwortlich, daß immer
frische Blumen in den Vasen standen. Sie machte die Fenster
auf, damit die Zimmer Licht und Luft in vollen Zügen atmeten,
aber die Blumen hielten nie bis zum Abend, weil die
Stentorstimme und die Stockschwünge Esteban Truebas die
Macht besaßen, die Natur zu erschrecken. Sobald er kam, flohen
die Haustiere und welkten die Pflanzen. Bianca zog einen aus
Brasilien importierten Gummibaum auf, ein mageres,
schüchternes Gewächs, an dem nur der Preis lustig war, der sich
aus der Anzahl der Blätter errechnete. Wenn die Frauen den
Schritt des Großvaters hörten, rannte die, die am nächsten war,
los, um den Gummibaum auf der Terrasse in Sicherheit zu
bringen, denn kaum betrat der Alte den Raum, ließ die Pflanze
die

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