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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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nach Benares. Am Ende dieser
Pilgerfahrt war er der Existenz Gottes gewiß und hatte gelernt,
sich Hutnadeln durch die Wangen und die Haut seiner Brust zu
stechen und fast ohne Essen auszukommen. Eines schönen
Tages stand er unangemeldet vor der Tür des Hauses, eine
Kinderwindel als Lendenschurz um die Hüften, die Haut an den
Knochen klebend und mit dem ziellosen Blick eines Menschen,
der sich ausschließlich von Gemüsen ernährt. Er kam in
Begleitung einiger ungläubiger Polizisten, die bereit waren, ihn
festzunehmen, falls er nicht beweisen konnte, tatsächlich der
Sohn des Senators Truebas zu sein, und einer Schar Kinder, die
ihm nachliefen, ihn bespuckten und mit Abfällen bewarfen. Sein
Vater beruhigte die Polizisten und befahl Nicolas, ein Bad zu
nehmen und sich Christenkleider anzuziehen, wenn er in seinem
Haus wohnen wolle, aber Nicolas schaute ihn an, als ob er ihn
nicht sähe, und gab keine Antwort. Er war Vegetarier geworden.
Er aß kein Fleisch, keine Milch, keine Eier, was er verzehrte,
war eine Kaninchennahrung, und allmählich begann sein
unruhiges Gesicht diesem Tier zu ähneln. Die Mahlzeiten
wurden zu einem endlosen Ritual, bei dem Alba über dem leeren
Teller und die Dienstmädchen über den Tabletts in der Küche
einschliefen, während er feierlich kaute, weshalb
Esteban
Trueba künftig nicht mehr nach Hause kam, sondern alle seine
Mahlzeiten im Club einnahm. Nicolas versicherte, er könne
barfuß über die Glut gehen, aber sooft er den Beweis antreten
wollte, bekam Clara einen Asthmaanfall, und er mußte
aufgeben. Er sprach nur noch in asiatischen, nicht immer
verständlichen Gleichnissen. Seine Interessen waren
ausschließlich spiritueller Art. Der Materialismus des häuslichen
Lebens störte ihn ebenso wie die übertriebene Sorge seiner
Schwester und seiner Mutter, die ihn unbedingt füttern und
kleiden wollten, und die Nachstellungen der faszinierten Alba,
die ihm wie ein Hündchen nachlief, bettelnd, er solle ihr
beibringen, wie man auf dem Kopf stehen und sich Nadeln
durch die Haut stechen könne. Er ging nackt, auch wenn der
Winter mit seiner ganzen Strenge hereinbrach. Er konnte fast
drei Minuten lang den Atem anhalten und führte dieses
Kunststück bereitwillig vor, sooft ihn jemand darum bat.
Schade, sagte
Jaime, daß Luft nichts koste, er habe
ausgerechnet, daß Nicolas nur halb so viel Luft einatme wie ein
normaler Mensch, ohne daß es ihm in irgendeiner Weise zu
schaden schiene. Den Winter verbrachte er gelbe Rüben kauend,
ohne über Kälte zu klagen, eingeschlossen in seinem Zimmer,
wo er Seite um Seite mit seiner winzigen Schrift füllte. Als sich
die ersten Anzeichen des Frühlings bemerkbar machten,
verkündete er, sein Buch sei fertig. Es hatte
eintausendfünfhundert Seiten, und es gelang Nicolas, seinen
Vater und seinen Bruder Jaime zu überreden, ihm a conto des
Gewinns, den er mit dem Verkauf erzielen würde, den Druck zu
finanzieren. Korrigiert und gedruckt, verringerten sich die
eintausendfünfhundert handgeschriebenen Seiten auf die
sechshundert Druckseiten einer umfänglichen Abhandlung über
die neunundneunzig Namen Gottes und die Methode, durch
Atemübungen das Nirwana zu erreichen. Das Buch hatte nicht
den erhofften Erfolg, und die unverkauften Exemplare
beschlossen ihre Tage im Keller, wo Alba sie als Ziegelsteine
zum Bau von Schützengräben benutzte, bis sie viele Jahre später
das Feuer eines infamen Scheiterhaufens nähren halfen.
Sobald das Buch aus der Druckerei kam, hielt Nicolas es
liebevoll in seinen Händen, gewann sein Hyänenlächeln zurück,
das er verloren hatte, zog sich anständige Kleider an und
verkündete, der Moment sei gekommen, seinen in finsterer
Unwissenheit verbliebenen Zeitgenossen die Wahrheit zu
übergeben.
Esteban Trueba erinnerte ihn an sein Verbot, das Haus als
Akademie zu benützen, und machte ihn darauf aufmerksam, daß
er es nicht dulden werde, wenn er Alba heidnische Ideen in den
Kopf setze, und erst recht nicht, wenn er sich einfallen lasse, ihr
Fakirtricks beizubringen. Nicolas ging in der Kaffeestube der
Universität predigen und brachte eine eindrucksvolle Zahl von
Schülern für seine Unterweisungen in spirituellen Exerzitien und
Atemübungen zusammen. In seiner Freizeit fuhr er Motorrad
und lehrte seine Nichte, Schmerz und andere Schwächen des
Fleisches zu überwinden. Das kleine Mädchen, das einen
gewissen Hang zum Makabren hatte, konzentrierte sich nach
den Anweisungen ihres Onkels und

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